Ein zerstörter Feiertag
Mit einem lauten Knall fiel die Haustür ins Schloss, als Michael das Haus seiner Eltern verließ. Hinter ihm brach die Fassade einer heilen Familie endgültig zusammen.
Stimmen überschlugen sich, Stühle wurden hastig zurückgeschoben, und Geschirr klirrte auf dem Boden.
Essen klebte an den Wänden, halbvolle Teller landeten mit dumpfen Schlägen auf dem Boden.
Über all dem erklang Jens flehende Stimme, durchbrochen von Schluchzern: „Michael, bitte! Geh nicht! Hör mir doch zu!“
Ihr Gesicht war von Tränen überströmt, die Hand ausgestreckt, doch Michael blickte nicht zurück. Der Schmerz in seiner Brust war überwältigend, der Zorn unkontrollierbar.
An der Tür stand Terry, Michaels älterer Bruder, blass und unsicher, wie ein Kind, das auf frischer Tat ertappt wurde. Michaels Eltern, Mila und Roger, brüllten durcheinander, suchten verzweifelt nach Schuldigen. Doch es gab keine Rettung für diesen Tag.
Einige Wochen zuvor…
Das Lenkrad schien das Einzige zu sein, was Michael noch Halt gab. Der Arzt hatte ihm gerade seine Zukunft genommen. „Sie sind unfruchtbar,“ hatte der Mann gesagt, mit der Gelassenheit eines Menschen, der keine Ahnung hat, wie schwer seine Worte wiegen.
Michael saß im Auto vor seinem Haus, unfähig auszusteigen. Der Gedanke, Jen die Wahrheit zu sagen, schnürte ihm die Kehle zu. Sein Handy vibrierte.
@Jen:
Wann kommst du? Ich warte auf dich.
Er zwang sich, die Tür zu öffnen. Kaum war er drin, stand Jen vor ihm, ihre Augen leuchtend, ihr Lächeln so strahlend wie immer.
„Du siehst aus, als hättest du einen langen Tag gehabt“, sagte sie und musterte ihn. „Ist alles in Ordnung?“
Michael rang um Worte, doch bevor er etwas sagen konnte, ergriff sie seine Hand. „Warte! Ich habe eine Überraschung für dich.“
Im Schlafzimmer angekommen, zeigte sie auf das Bett, wo winzige Babysöckchen neben einer Schachtel lagen. Michaels Herz setzte aus.
„Was… ist das?“ Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
„Mach die Schachtel auf“, sagte Jen aufgeregt.
Mit zitternden Händen hob er den Deckel. Ein positiver Schwangerschaftstest lag darin. Ein Schlag in die Magengrube.
„Ich bin schwanger! Nach all den Jahren, Michael! Wir bekommen ein Baby!“
Michael zwang sich zu einem Lächeln und umarmte sie, doch innerlich zersplitterte alles in ihm. *Das kann nicht mein Kind sein.*
Das Schweigen vor dem Sturm
Die Tage danach waren eine Qual. Michael konnte kaum schlafen, konnte Jen kaum in die Augen sehen. Die Wahrheit stand zwischen ihnen wie eine unsichtbare Mauer. Schließlich beschloss er, Antworten zu finden.
Eines Nachmittags folgte er ihr heimlich. Er sah, wie sie bei einem Haus hielt, das er nur zu gut kannte. Das Haus von Terry.
Er beobachtete, wie sie hineinging, wie sie lachte, wie sie sich über Terry beugte, als ob sie etwas teilten, das er nicht verstehen durfte. Ein kaltes, beklemmendes Gefühl breitete sich in ihm aus.
Michael beschloss, zu warten. Thanksgiving war nur wenige Tage entfernt, und er wollte, dass alle die Wahrheit erfahren.
Thanksgiving – der Tag der Wahrheit
Der Tisch war festlich gedeckt, die Gespräche oberflächlich fröhlich. Michael saß zwischen Jen und Terry, das perfekte Bild eines harmonischen Familienfestes.
Als Mila die Runde bat, sich für etwas zu bedanken, erhob Michael sich, sein Glas in der Hand. „Ich möchte heute für etwas ganz Besonderes danken“, begann er, seine Stimme ruhig, aber schneidend.
Die Familie verstummte. Jen lächelte erwartungsvoll.
„Ich bin dankbar, dass meine Frau Jen endlich schwanger ist“, sagte er.
Ein Raunen ging durch die Runde, und Glückwünsche wurden laut. Doch Michael hob die Hand.
„Ich bin auch dankbar“, fuhr er fort, „dass ich jetzt weiß, wer in meinem Leben ehrlich ist. Denn der Vater dieses Kindes… ist Terry.“
Ein Schock durchfuhr die Runde. Jen wurde blass, ihre Hand flog vor ihren Mund. „Michael! Das ist nicht wahr! Wie kannst du so etwas sagen?“
Terry starrte ihn an, unfähig, ein Wort herauszubringen.
„Ich bin unfruchtbar“, sagte Michael kühl. „Das hat mir der Arzt vor ein paar Wochen gesagt. Dieses Kind ist nicht meins. Und ich habe gesehen, wie du zu ihm gegangen bist, Jen.“
Jen schluchzte, versuchte, seine Hand zu ergreifen. „Michael, bitte, es war nichts! Terry hat nur Hilfe bei der Renovierung gebraucht. Ich würde dich niemals betrügen!“
Michael schüttelte den Kopf. „Ich bin fertig mit deinen Lügen.“
Ohne ein weiteres Wort stellte er sein Glas ab und verließ das Haus. Hinter ihm brach das Chaos los – Schreie, Anschuldigungen, das Geräusch von zerbrechendem Geschirr.
Doch Michael hörte nichts davon. Draußen holte er tief Luft, fühlte die Kälte des Novemberabends auf seiner Haut. Es war vorbei. Endgültig.