„MEIN CHEF HAT MICH OHNE JEGLICHE ERKLÄRUNG ENTLASSEN. AM NÄCHSTEN MORGEN ERHIELT ICH EINE NACHRICHT VON SEINER FRAU: ›WIR MÜSSEN UNS TREFFEN. ICH MUSS DIR DIE WAHRHEIT SAGEN.‹“
Ich war immer eine engagierte und gewissenhafte Mitarbeiterin. Ich glaubte, ein gutes Verhältnis zu meinem Vorgesetzten Greg zu haben.
Er war streng – das stimmt – aber gerecht. Anspruchsvoll, aber offen für Gespräche.
Jahrelang arbeitete ich hart, blieb oft länger im Büro, um meinen Wert zu beweisen. Ich dachte, ich hätte mir meinen Platz in der Firma redlich verdient.
Als er mich eines Nachmittags in sein Büro bat, dachte ich, es sei ein normales berufliches Gespräch.
Aber dieser Tag veränderte mein Leben für immer.
— Lena — begann er und wich meinem Blick aus. — Es tut mir leid, aber ich muss dich entlassen.
Für einen Moment war mein Kopf völlig leer.
— Was? Warum? — stammelte ich, völlig überrumpelt und geschockt.
— Es tut mir leid, Lena. Wir haben kein Budget mehr für deine Stelle — sagte er, ohne mir in die Augen zu sehen.
— Es ist nichts Persönliches. Eine geschäftliche Entscheidung. Du bekommst eine Abfindung, die Personalabteilung erklärt dir alles Weitere.
Ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. Wie konnte sich alles so plötzlich ändern? Ich hatte gerade ein wichtiges Projekt abgeschlossen, bekam gute Bewertungen, gab der Firma mein Herzblut.
Kein einziges Anzeichen. Keine Warnung.
— Bist du dir sicher? — fragte ich mit zitternder Stimme. — Ich habe dieser Firma alles gegeben. Warum gerade jetzt?
Greg zuckte mit den Schultern, sichtlich verlegen.
— Es war nicht meine Entscheidung, Lena. Das Management hat das so beschlossen. Es tut mir leid, ich kann nichts tun.
Ich packte meine Sachen und verließ mit schwindligem Kopf das Büro – zum letzten Mal.
Ich versuchte, das aufsteigende Gefühl von Verrat zu unterdrücken. Aber es war zu stark. Ich hatte mich für diesen Job aufgeopfert. Jetzt hatte ich – nichts.
Am nächsten Morgen wachte ich durch eine Nachricht auf, die mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
„Wir müssen reden. Ich muss dir die Wahrheit sagen. — Sara“
Eine Nachricht von Sara, Gregs Ehefrau. Wir hatten seit Jahren nicht gesprochen. Ich wusste nicht einmal, dass sie meine Nummer hatte.
Mein Herz schlug schneller. Was wollte sie? Und warum gerade jetzt?
Zögernd stimmte ich zu. Vielleicht gab es wirklich etwas, das ich wissen musste. Vielleicht fehlte mir ein entscheidendes Puzzlestück.
Wir trafen uns in einem kleinen Café in der Innenstadt. Ich hoffte auf Antworten.
Sie war bereits da, saß an einem Tisch, die Hände gefaltet. Sie sah verändert aus – müde, vom Leben gezeichnet – aber in ihren Augen lag eine Spannung, die ich bei ihr noch nie gesehen hatte.
— Lena — sagte sie leise, ernst. — Danke, dass du gekommen bist. Ich weiß, das ist alles sehr merkwürdig.
Ich nickte, unsicher, was ich sagen sollte.
— Warum wolltest du dich mit mir treffen? Was ist los?
Sara holte tief Luft, schaute einen Moment aus dem Fenster, dann sah sie mich an.
— Ich weiß nicht, wie ich es sagen soll… aber du musst die Wahrheit erfahren. Greg hat dich nicht aus finanziellen Gründen entlassen. Das war eine Lüge.
Ich starrte sie fassungslos an.
— Was meinst du? Er hat mir gesagt, es ging ums Budget…
Sara biss sich auf die Lippe, ihre Stimme zitterte.
— Das stimmt nicht — sagte sie schließlich. — Er hat dich wegen mir entlassen.
Meine Augen weiteten sich. Ich verstand gar nichts mehr.
— Wegen dir? Ich verstehe nicht…
Ihr Gesicht zeigte tiefe Schuldgefühle.
— Unsere Ehe zerbrach seit Monaten. Wir stritten ununterbrochen. Und… — Sara zögerte, senkte den Blick — er hatte eine Affäre.
Mir stockte der Atem.
— Er hat dich betrogen?
— Ja — sagte sie mit Tränen in den Augen. — Aber nicht mit irgendjemandem. Mit dir.
Ihre Worte trafen mich wie ein Schlag in den Magen. Ich rang nach Luft.
— Was? Ich… —
— Ich weiß — unterbrach sie mich und wischte sich eine Träne ab. — Aber Greg war davon überzeugt. Er war besessen von dir, Lena. Er begehrte dich seit Monaten. Er wollte dich schon lange loswerden, konnte es aber nicht.
Deshalb mied er dich in letzter Zeit. Er wollte Abstand, versuchte sich einzureden, dass er nichts für dich empfindet.
Meine Welt brach zusammen.
— Aber er hat es nicht geschafft — fuhr Sara fort. — In der Nacht vor deiner Kündigung haben wir uns heftig gestritten. Ich habe alles herausgefunden, und er hat alles zugegeben.
Ich sagte ihm, dass ich so nicht mehr weitermachen kann. Dass er sich entscheiden muss: für mich oder für dich. Deshalb hat er dich entlassen. Er dachte, wenn er dich aus seinem Leben entfernt, könnte er unsere Ehe retten.
Ich war sprachlos. Niemals, nicht einmal in meinen schlimmsten Albträumen, hätte ich mir so etwas ausgemalt.
— Es tut mir leid, Lena — sagte Sara ehrlich. — Ich wollte nicht, dass du in all das hineingezogen wirst. Ich wusste nicht, wie ich es wiedergutmachen sollte, aber ich konnte dich nicht in der Lüge leben lassen. Du musstest die Wahrheit erfahren.
Ich konnte meine Gedanken nicht sortieren. Mir war schwindelig, mein Herz schwer wie Stein.
— Ich weiß nicht, was ich sagen soll — flüsterte ich schließlich.
Sara legte ihre Hand auf meine.
— Ich erwarte keine Vergebung. Ich wollte nur, dass du weißt: Es war nicht deine Schuld.
Langsam schüttelte ich den Kopf, immer noch im Schock.
— Danke, dass du es mir gesagt hast. Ich weiß nicht, was ich jetzt tun soll… aber zumindest kenne ich jetzt die Wahrheit.
Sara lächelte traurig.
— Pass gut auf dich auf, Lena. Ich hoffe, du findest deinen Frieden in all dem.
Als ich das Café verließ, lastete die Wahrheit schwer auf meinen Schultern.
Meine Karriere, mein Vertrauen in Greg, mein Selbstbild – alles lag in Trümmern.
Aber wenigstens kannte ich jetzt die Wahrheit.
Und die Wahrheit, so schmerzhaft sie auch war, war der erste Schritt in einen neuen Anfang.