Acht Jahre nach ihrer Hochzeit befand sich Anja in einer verzweifelten Lage. Als sie Leonid heiratete, glaubte sie, den perfekten Mann gefunden zu haben.
Zu Beginn war ihre Beziehung von Zuneigung und Harmonie geprägt: Leonid war aufmerksam, charmant und schaffte es, ihr stets das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit zu geben.
Doch mit der Zeit begann sich sein Verhalten zu verändern. Seine anfänglichen liebenswürdigen Gesten wurden immer seltener, und stattdessen nahm sein Alkoholkonsum zunehmend überhand.
Anja versuchte, ihm zu helfen, hoffte, dass er sich ändern würde, doch die Realität sah anders aus.
Der Alkohol führte zu Aggressionen, und aus den ersten verbalen Auseinandersetzungen wurden mit der Zeit gewalttätige Ausbrüche.
Trotz des schrecklichen Wandels in der Beziehung klammerte sich Anja an die Hoffnung, dass Leonid wieder der Mann sein würde, den sie einst geheiratet hatte.
Doch nach einer Reihe von körperlichen und psychischen Misshandlungen entschloss sie sich schließlich, zu ihrer Mutter zu fliehen. Doch auch dort fand sie keinen Trost.
Ihre Mutter, die das Verhalten ihres Schwiegersohns zu verbergen versuchte,
und ihre Schwiegermutter, die ihr Vorwürfe machte und sie als zu empfindlich bezeichnete, forderten sie auf, den Vorfall zu vergessen und zurückzukehren.
Sie wünschten sich, dass sie die Familie zusammenhielt und den «Fehler» in ihrer Ehe selbst beheben würde.
Anja fühlte sich von allen Seiten im Stich gelassen und war gezwungen, wieder zu Leonid zurückzukehren – ein Schritt, den sie zutiefst bereute, als die Gewalt erneut begann.
Der wahre Wendepunkt in Anjas Leben kam, als Leonid, betrunken am Steuer, in einen schweren Autounfall verwickelt wurde und dabei schwere Verletzungen erlitt.
Fortan war er auf den Rollstuhl angewiesen. Doch statt Dankbarkeit für ihre Hilfe oder ein Umdenken in seinem Verhalten zeigte Leonid nur Verachtung.
Nun war sie seine einzige Pflegeperson, und die Misshandlungen gingen weiter, begleitet von ständigen Schuldzuweisungen, die sie für alles verantwortlich machte.
Leonid fühlte sich von ihr betrogen, seine Mutter warf ihr vor, ihren Sohn im Stich zu lassen, und auch ihre eigene Familie behandelte sie mit Ablehnung.
Anja fühlte sich in dieser Situation vollkommen isoliert, ohne Halt und ohne Unterstützung.
Die ständige emotionale Erpressung und die Ausweglosigkeit ihres Lebens ließen sie schließlich die drastische Entscheidung treffen, sich aus dieser toxischen Beziehung zu befreien.
Sie begann heimlich Geld zu sparen und sich auf einen Neuanfang vorzubereiten. Jede noch so kleine Gelegenheit nutzte sie, um sich von Leonid zu distanzieren und einen Ausweg zu planen.
Eines Morgens, als Leonid sie wieder einmal ignorierte und in seinem Zimmer verschwand, ergriff sie die Chance.
Ohne ein Wort des Abschieds packte sie das Nötigste zusammen, verließ das Haus und verschwand in der Morgendämmerung.
Mit einem Zug fuhr sie in eine andere Stadt, fern von der Gewalt und den ständigen Vorwürfen. Anja wollte nichts mehr von ihrer Vergangenheit wissen und suchte Schutz in der Anonymität eines neuen Lebens.
In den drei Monaten, die sie in der neuen Stadt verbrachte, wuchs ihr Gefühl der Freiheit.
Sie fand Arbeit, eine kleine Wohnung und suchte sich einen Anwalt, um sich von ihrem Ehemann scheiden zu lassen.
Sie hatte es endlich geschafft, sich von den Fesseln ihrer Ehe zu befreien, den Misshandlungen und der ständigen Schuldzuweisung zu entkommen.
Doch der wahre Sieg war nicht nur das Ende ihrer Ehe, sondern die Wiederentdeckung ihrer eigenen Stärke, die sie in all den Jahren der Unterdrückung verloren hatte.
Sie hatte ihr Leben zurückerobert, und auch wenn der Weg vor ihr noch nicht ohne Hürden war, hatte sie nun die Kontrolle.