Mein Name ist Sarah Miller, ich bin vierzig Jahre alt.
Meine Jugend verging in einer Reihe unerfüllter Liebesgeschichten – die einen haben mich betrogen, die anderen sahen in mir nur eine Zwischenstation auf ihrem Weg zu jemand anderem.
Jedes Mal, wenn eine Beziehung zerbrach, sah mich meine Mutter an und seufzte:
— Sarah, vielleicht ist es an der Zeit, aufzuhören, nach Perfektion zu suchen. James von nebenan ist ein anständiger Mann. Er hinkt, ja, aber er hat ein gutes Herz.
James Parker, unser Nachbar, war fünf Jahre älter als ich.
Mit siebzehn hatte er einen Autounfall und humpelte seither auf seinem rechten Bein.
Er lebte mit seiner Mutter in einem kleinen Holzhaus in Burlington, Vermont, und verdiente seinen Lebensunterhalt mit der Reparatur von Elektronik und Computern.
Er war still, etwas unbeholfen, aber immer freundlich.
Man erzählte, dass er mich schon seit Jahren heimlich liebte, sich aber nie getraut hatte, es zu sagen.
Ich dachte damals: Vierzig Jahre – was kann ich vom Leben noch erwarten?
Vielleicht ist es besser, einen guten, ruhigen Mann an seiner Seite zu haben, als ganz allein zu bleiben.
So nickte ich eines regnerischen, windigen Nachmittags zustimmend.
Ohne Brautkleid, ohne Feier – nur ein paar enge Freunde und ein bescheidenes Abendessen.
In jener Nacht lag ich im neuen Schlafzimmer, hörte den Regen auf das Verandadach trommeln und spürte ein Chaos in meinem Herzen.
James kam herein, humpelnd, mit einem Glas Wasser in der Hand.
— Hier, trink etwas. Du musst müde sein, sagte er leise.
Seine Stimme war sanft wie ein Windhauch in der Nacht.
Er deckte mich zu, löschte das Licht und setzte sich an den Rand des Bettes.
Die Stille war fast bedrückend.
Ich schloss die Augen, mein Herz raste, und ich wartete – zwischen Angst und Neugier.
Nach einer Weile flüsterte er, mit zitternder Stimme:
— Du kannst ruhig schlafen, Sarah. Ich werde dich nicht berühren. Nicht, solange du es nicht selbst willst.
Im Dunkeln spürte ich, wie er sich auf die andere Seite des Bettes legte, weit weg von mir, als hätte er Angst, mich allein durch seine Nähe zu verletzen.
Mein Herz wurde weich.
Ich hätte nie gedacht, dass der Mann, den ich als „letzte Chance“ betrachtete, mir so viel Respekt zeigen würde.
Am nächsten Morgen weckte mich die Sonne.
Auf dem Tisch stand ein Tablett mit einem Ei-Sandwich, einem Glas warmer Milch und einem Zettel in seiner Handschrift:
Bin in die Werkstatt gefahren, um den Fernseher eines Kunden zu reparieren. Geh nicht raus, falls es noch regnet. Bin zum Mittag wieder da. – James.
Ich las diesen kleinen Zettel immer wieder, die Augen voller Tränen.
Zwanzig Jahre lang hatte ich wegen Verrat geweint.
An diesem Morgen weinte ich, weil ich mich zum ersten Mal wirklich geliebt fühlte.
Am Abend kam James spät zurück, roch nach Öl und Metall.
Ich saß auf dem Sofa und wartete.
— James, rief ich.
— Ja? antwortete er überrascht.
— Setz dich zu mir.
Ich sah ihm direkt in die Augen und flüsterte:
— Ich will nicht, dass wir nur zwei Menschen sind, die sich ein Bett teilen. Ich will, dass wir wirklich Mann und Frau sind.
Er erstarrte, als könne er nicht glauben, was er gehört hatte.
— Sarah… bist du sicher?
— Ja, nickte ich. Ich bin sicher.
Er nahm meine Hand – warm, sanft – als würde die Welt um uns verschwinden.
In dieser Berührung fand ich meinen Glauben an die Liebe wieder.
Von diesem Tag an fühlte ich mich nicht mehr allein.
James hinkte noch immer, sprach wenig, aber er war der sicherste Halt meines Lebens.
Jeden Morgen backte ich für ihn Brot, und er bereitete mir Kaffee.

Wir sagten nie Ich liebe dich, aber jede kleine Geste zwischen uns war voller Liebe.
Einmal, als ich ihm zusah, wie er ein altes Radio für den Nachbarn reparierte, begriff ich:
Liebe muss nicht früh kommen – es reicht, wenn sie zur richtigen Person kommt.
Zehn Jahre später
Die Zeit vergeht wie der Wind durch die Ahornbäume.
Zehn Jahre sind vergangen, seit jenem regnerischen Abend, an dem ich – Sarah Miller Parker – die Hand dieses hinkenden Mannes ergriff und ein neues Leben begann.
Heute liegt unser Häuschen am Rande von Burlington in goldenes Herbstlicht getaucht.
Jeden Morgen reicht mir James noch immer eine Tasse Tee auf seine Weise: nicht zu heiß, mit einem Hauch Zimt und einer dünnen Orangenscheibe.
Er sagt:
— Herbsttee sollte wie Zuhause schmecken – ein wenig Wärme, ein wenig Bitterkeit und ganz viel Liebe.
Ich sehe seine ergrauten Haare, seinen immer noch ungleichen Gang.
Doch ich habe in ihm nie einen Behinderten gesehen – nur den Mann, der an meiner Seite bleibt, selbst wenn das Leben ins Wanken gerät.
Seit zehn Jahren leben wir einfach:
Er repariert weiterhin Elektronik, und ich betreibe eine kleine Konditorei in der Stadt.
Nachmittags sitzen wir auf der Veranda, trinken Tee und hören den fallenden Ahornblättern zu.
Doch dieser Herbst war anders.
James begann zu husten, und eines Tages brach er in der Werkstatt zusammen.
Im Krankenhaus sagte der Arzt ernst:
— Sein Herz macht Probleme. Eine Operation ist dringend nötig.
Ich erstarrte.
James nahm meine Hand und lächelte sanft:
— Sieh mich nicht so ängstlich an, Sarah. Ich habe mein Leben lang kaputte Dinge repariert… auch das kriege ich wieder hin.
Tränen stiegen mir in die Augen – nicht aus Angst, sondern aus der tiefen Gewissheit, wie sehr ich ihn liebe.
Die Operation dauerte sechs Stunden.
Ich saß auf dem kalten Flur und betete.
Als der Arzt herauskam, lächelte er:
— Es ist gelungen. Er hat ein starkes Herz.
Ich senkte den Kopf und weinte vor Dankbarkeit.
Als James aufwachte, flüsterte er:
— Ich habe geträumt, dass du Tee machst. Da wusste ich, ich darf nicht gehen – ich habe ihn noch nicht getrunken.
Ich lachte und weinte zugleich:
— Ich werde ihn dir immer machen, solange du hier bist.
Nach der Operation nahm ich mir Urlaub, um mich um ihn zu kümmern.
Jeden Morgen las ich ihm laut vor, und am Nachmittag saß er am Fenster und sah den fallenden Blättern zu.
Eines Tages fragte er:
— Sarah, weißt du, warum ich den Herbst so liebe?
— Weil er schön ist? antwortete ich.
— Nein. Weil er mich lehrt, dass selbst wenn alles zerfällt, in der nächsten Jahreszeit wieder Neues blühen kann. So wie bei uns – wir fanden uns spät, aber unsere Liebe blühte rechtzeitig.
Ich stellte ihm seine Teetasse hin und flüsterte:
— Uns bleiben noch viele Herbste, James.
Er lächelte.
Und ich wusste, dass dieses Lächeln alles bedeutete.
Ein Jahr später war James wieder gesund.
Jeden Tag holten wir unsere alten Fahrräder hervor, kauften frisches Brot und saßen mit Tee auf der Veranda.
Er sagte, allein das Geräusch, wenn ich Tee eingieße, erinnere ihn daran, dass sein Herz noch schlägt.
Manchmal fragte mich jemand:
— Sarah, bereust du es, James nicht früher kennengelernt zu haben?
Ich lächelte und antwortete:
— Nein. Denn hätte ich ihn früher getroffen, wäre ich vielleicht nicht genug verletzt worden, um zu begreifen, was Liebe wirklich ist.
An jenem Tag fiel leichter Regen.
Ich bereitete zwei Tassen Tee, wie immer.
Doch James saß nicht mehr auf seinem Stuhl auf der Veranda.
Er lag im Schlafzimmer, sein Atem war schwach.
Ich nahm seine Hand und sagte mit Tränen in den Augen:
— Geh nicht, James. Der Tee ist noch nicht fertig.
Er lächelte und drückte meine Hand:
— Ich habe ihn schon gemacht. Ich rieche den Zimt… das reicht, Sarah.
Er schloss die Augen, mit einem Lächeln auf den Lippen.
Ein Jahr nach seinem Tod lebe ich immer noch in unserem Haus.
Jeden Herbstmorgen koche ich zwei Tassen Tee und stelle eine vor den leeren Stuhl.
Und wie früher flüstere ich:
— James, der Tee ist fertig. Nur… dieses Jahr sind die Blätter früher gefallen.
Ich weiß, dass er noch hier ist – im Wind, im Duft des Tees, im Schlagen meines Herzens.
Es gibt Lieben, die spät kommen, aber ewig dauern – ohne Schwüre, ohne Beweise.
Denn eine einzige Tasse Herbsttee kann ein ganzes Leben wärmen.







