Wir haben ein 4-jähriges Mädchen adoptiert – nach einem Monat kam sie zu mir und sagte: „Mama, vertraue Papa nicht.“

Unterhaltung

Wir haben ein vierjähriges Mädchen adoptiert – und nur einen Monat später kam sie zu mir, sah mir tief in die Augen und flüsterte: „Mama, vertrau Papa nicht.“

Es war erst ein Monat vergangen, seitdem wir Zhenya in unser Leben aufgenommen hatten, und doch hatte sich so viel verändert. Ihre Worte trafen mich wie ein Blitz, der in meinem Inneren ein unsichtbares Gewitter auslöste.

„Vertrau Papa nicht?“, hallte es in meinem Kopf wider, und plötzlich wuchs eine ungeheure Unruhe in mir. Was verbarg mein Mann?

Ich schaute hinunter auf das zarte Gesicht von Zhenya, ihre riesigen, durchdringenden Augen, die mit einer Mischung aus Angst und Hoffnung auf mich blickten. Ihre schüchterne, fast unsichtbare Lächeln schien mir alles zu sagen.

Sie war unsere Tochter – doch war sie wirklich schon ganz bei uns? Hatte sie vielleicht etwas gespürt, was wir noch nicht verstanden hatten?

Oleg strahlte – er konnte nicht aufhören, sie anzuschauen, als würde er versuchen, jedes winzige Detail von ihr in sich aufzusaugen. Er war völlig fasziniert von ihr, als ob er sie gerade zum ersten Mal entdeckte.

„Sieh dir diese kleine Prinzessin an, Marina!“, flüsterte er voller Bewunderung. „Sie ist einfach perfekt.“ Ich lächelte sanft, legte meine Hand auf ihre zarte Schulter und spürte den unbändigen Drang, sie zu beschützen.

„Ja, sie ist wirklich etwas ganz Besonderes.“ Nach all den Jahren des Wartens, der Angst und der Ungewissheit war sie nun hier, bei uns. Und doch schlich sich immer wieder ein Gefühl der Unsicherheit ein, das ich mir nicht erklären konnte.

Es war nun schon ein paar Wochen her, dass wir sie offiziell adoptiert hatten, und wir entschieden uns für einen kleinen Familienausflug. Oleg beugte sich zu Zhenya und fragte mit einem Lächeln: „Wie wär’s mit Eis? Möchtest du eines?“

Zhenya schaute mich an, als ob sie darauf wartete, dass ich entscheide. Sie sagte nichts, sondern nickte sanft und drückte sich noch ein bisschen fester an mich. Etwas in ihrem Blick ließ mich stutzig werden.

Oleg lachte und versuchte, sie aufzumuntern. „Gut, dann gibt es eben ein Eis! Ein ganz besonderes!“ Wir gingen zum Café. Oleg wollte für Zhenya etwas bestellen. „Schokolade? Oder vielleicht Erdbeere?“ fragte er fröhlich.

Zhenya sah ihn an, dann wieder zu mir. „Vanille“, flüsterte sie fast unhörbar, ihre Augen suchten meine wie ein stilles Flehen. Ihre Stimme war so zerbrechlich, als ob sie etwas verborgen hielt.

Oleg sah sie verwirrt an, aber dann nickte er und sagte mit einem Lächeln: „Vanille also, gut.“ Doch ich bemerkte, wie sie sich nach wie vor an mich klammerte, als könnte sie ihn nicht ganz vertrauen.

Sie aß still, sah immer wieder zu mir, während Oleg versuchte, sie in Gespräche zu verwickeln, doch jedes Mal drückte sie meine Hand fester. Ihre Blicke waren aufmerksam, ängstlich – als ob sie die Welt um uns herum genau musterte.

Ich fragte mich, was sie wohl fühlte. Vielleicht war es die Angst vor dem Unbekannten, die Angst, in dieser neuen Familie wirklich anzukommen. Am Abend, als ich Zhenya ins Bett brachte, passierte es wieder.

Sie zog meine Hand so fest zu sich, als ob sie sich in mir verankern wollte. „Mama?“ flüsterte sie, ihre Stimme zitterte vor Unsicherheit. „Ja, mein Schatz?“ antwortete ich sanft. Ihre Augen waren so groß, so ernst,

als ob sie ein Geheimnis mit mir teilen wollte. „Vertrau Papa nicht“, sagte sie leise, als ob es die wichtigste Wahrheit der Welt war.

Ich erstarrte, das Blut blieb mir fast in den Adern stehen. Mein Herz raste, als ich neben ihr auf die Knie ging und ihre Haare aus ihrer Stirn strich. „Warum sagst du das, meine Liebe?“ fragte ich mit zitternder Stimme.

Zhenya zuckte mit den Schultern und ihre Lippen verzogen sich zu einer traurigen, fast unsichtbaren Grimasse. „Er redet komisch“, murmelte sie, „als ob er etwas versteckt. Ich habe Angst…“ Die Worte trafen mich wie ein Schlag.

Ich versuchte, ruhig zu bleiben, doch in meinem Inneren begann sich etwas zu drehen. Was wusste sie, was ich nicht wusste? Warum fühlte sie sich so unsicher? „Zhenya“, sagte ich sanft, „Papa liebt dich sehr. Er möchte, dass du dich hier sicher und zu Hause fühlst.

Du weißt das, oder?“ Doch sie sagte nichts. Sie schlüpfte unter die Decke und starrte in die Dunkelheit.

Ich blieb eine Weile bei ihr, hielt ihre kleine Hand, versuchte zu verstehen, was sie mir sagen wollte. War es nur die Angst vor dem Neuen? Oder gab es wirklich etwas, das sie spürte und ich nicht wahrnahm?

Als ich das Zimmer verließ, wartete Oleg schon am Türrahmen. „Wie geht es ihr?“, fragte er mit einer Mischung aus Sorge und Hoffnung in der Stimme. „Sie schläft“, antwortete ich leise, während mein Blick ihn durchdrang.

Etwas in mir spürte eine Anspannung, die nicht so leicht zu lösen war. „Gut“, sagte er, und seine Erleichterung war kaum zu übersehen. Doch ich bemerkte, wie er ein kleines Zucken in seiner Miene nicht verbergen konnte.

„Es wird besser, Marina. Wir müssen uns einfach alle aneinander gewöhnen. Du siehst doch, dass es langsam wird, oder?“ Ich nickte, doch die Worte von Zhenya ließen mich nicht los. War da mehr? Hatte Oleg wirklich alles im Griff?

Am nächsten Tag, während ich das Abendessen zubereitete, hörte ich Oleg in der Stube telefonieren. Seine Stimme war gedämpft und klang angespannt, als ob er sich keine Fehler erlauben wollte.

„Es ist schwieriger als ich dachte“, flüsterte er fast. „Sie… ist so aufmerksam. Zhenya merkt alles, mehr als ich erwartet habe. Ich fürchte, sie könnte Marina etwas erzählen.“ Mein Herz stolperte. „Was könnte sie mir erzählen?“ dachte ich. Meine Gedanken rasten.

„Es fällt mir schwer, alles zu verbergen“, hörte ich ihn weiter sagen. „Ich will nicht, dass Marina es jetzt weiß. Nicht noch nicht. Es muss der richtige Moment sein.“ Ein eisiger Schauer lief mir über den Rücken. Was wusste er, was ich nicht wusste? Was hatte er zu verbergen?

Ich griff nach dem Rand des Küchentisches, versuchte meine Gedanken zu ordnen. Etwas stimmte nicht, und ich konnte es nicht ignorieren. Als er das Gespräch beendete und in die Küche kam, drehte ich mich abrupt zur Herdplatte, versuchte, mein Gesicht zu verbergen.

„Es riecht gut“, sagte er, umarmte mich von hinten. Doch ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass etwas nicht stimmte. Später, als Zhenya ins Bett gegangen war, konnte ich es nicht länger aushalten.

„Oleg“, begann ich, während ich ihm direkt in die Augen sah. „Ich habe dein Gespräch gehört.“ Sein Gesicht veränderte sich sofort, seine Augen weiteten sich. „Was hast du gehört?“ „Du hast gesagt, Zhenya könnte mir etwas erzählen.

Dass es schwer ist, etwas zu verbergen. Oleg… was verbirgst du vor mir?“ Er starrte mich einen Moment lang an, und dann brach die Spannung von ihm ab. „Marina“, sagte er sanft, „es ist nicht das, was du denkst.“

Er nahm meine Hand, seine Augen weichen und liebevoll. „Ich wollte nicht, dass du es erfährst, weil ich eine Überraschung für Zhenyas Geburtstag vorbereitet habe. Mit meinem Bruder.“ „Eine Überraschung?“

„Ja, ich wollte für sie eine besondere Feier machen, damit sie sich noch mehr als Teil der Familie fühlt.“ Ich erstarrte. In diesem Moment schien die ganze Last von mir abzufallen. Mein Herz beruhigte sich, und ich fühlte, wie der Knoten in meinem Inneren sich löste.

„Oleg… du hast mich so erschreckt.“ Er lächelte und drückte meine Hand sanft. „Es tut mir leid, dass ich dich so beunruhigt habe. Aber alles wird gut. Wir finden unseren Weg.“ Am nächsten Morgen, als ich Zhenya beim Frühstück beobachtete,

sah ich, wie sie erstmals wieder aufblickte und mir ein Lächeln schenkte. Es war so leicht, so unbeschwert – als ob eine schwere Last von ihren Schultern gefallen wäre. Vielleicht fühlte sie sich endlich sicher. Vielleicht war sie endlich da – bei uns, in unserer Familie.

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