GIERIGE ERBEN VERSUCHTEN, DEN OPA ZU SCHMEICHELN, UM MEHR ZU ERBEN — IHR MUND BLIEB OFFEN, ALS DER ANWALT DAS TESTAMENT VERLIES
In seinen letzten Tagen durchschaute Herr Lewis die leeren Gesten seiner Familie mühelos. Doch als sein Testament verlesen wurde, erlebten alle eine unerwartete Wendung, die alles auf den Kopf stellte – dank der aufrichtigen Hingabe eines kleinen Mädchens.
Herr Lewis saß in seinem Lieblingssessel aus abgenutztem Leder und ließ sein Leben Revue passieren. Mit 83 Jahren hatte er alles gesehen. Von einem bescheidenen Anfang hatte er sich durch harte Arbeit und unermüdlichen Einsatz ein Unternehmen aufgebaut und war mit 40 Jahren bereits eine angesehene Persönlichkeit.
Doch es war nicht der Reichtum, der ihn ausmachte. Er hatte stets ein tugendhaftes Leben geführt, in dem er nicht nur für seine acht Kinder – vier leibliche und vier adoptierte – sorgte, sondern auch für Kinder in Not, die in sein Zuhause kamen, wenn sie keine andere Zuflucht hatten.
Seine verstorbene Frau hatte ihn oft mit einem warmen Lächeln beobachtet, wie er jede neue Waise willkommen hieß, und schmunzelnd gesagt: „Du hast immer noch Platz für ein weiteres Kind, oder?“
Herr Lewis war nie ein Mann der Halbheiten. Er glaubte fest daran, der Gesellschaft etwas zurückzugeben, sei es durch karitative Spenden oder die Unterstützung von Bedürftigen. Doch mit den Jahren änderte sich das Verhältnis zu seinen Kindern.
Sein einst lebhaftes Haus wurde still, und seine Kinder, ob leiblich oder adoptiert, besuchten ihn nur noch selten – es sei denn, sie brauchten etwas. Richard, sein ältester Sohn, pflegte immer denselben Einstieg: „Vater, du weißt doch, wie hart es da draußen ist“, während er ihm kaum in die Augen sah.
„Ich brauche nur eine kleine Finanzspritze, um über den Monat zu kommen.“ Seine Tochter Olivia klang ähnlich. „Papa, die Schulgebühren für die Kinder sind geradezu unverschämt. Könntest du vielleicht…?“ Schon ehe sie den Satz beenden konnte, griff Herr Lewis nach seinem Scheckheft.
Auch seine Enkelkinder schienen nur dann aufzutauchen, wenn es um Feiertage ging, ihre Blicke jedoch fixiert auf ihn, als wäre er ein wandelnder Geldautomat. Trotz seiner Liebe zu ihnen musste er sich der bitteren Wahrheit stellen: Sie sahen in ihm nur das Geld, nicht den Menschen.
An seinem 83. Geburtstag bekam Herr Lewis eine niederschmetternde Diagnose. „Herr Lewis, Sie haben noch ungefähr einen Monat zu leben. Es tut mir leid.“ Die Worte hallten in seinen Ohren, doch er nahm sie mit seiner gewohnten stillen Würde hin.
Noch in derselben Nacht rief er seine Kinder und Enkel an, um ihnen die Nachricht zu überbringen. Innerhalb weniger Stunden waren sie alle in seinem Haus, von überall her angereist.
Richard erschien als erster mit seiner Frau und den drei Kindern, Olivia kam bald darauf mit ihren zwei Töchtern, ein Lächeln auf den Lippen, das mehr einer Grimasse glich. Sogar seine adoptierten Kinder, die in alle Ecken der Welt verstreut lebten, fanden plötzlich Zeit, zurückzukehren.
„Mach dir keine Sorgen, Vater, wir sind jetzt da“, sagte Richard und klopfte ihm auf die Schulter. „Wir kümmern uns um dich, Opa“, fügte eine von Richards Töchtern, Willow, hinzu, während sie kaum vom Bildschirm ihres Handys aufsah.
Wochenlang waren sie um ihn herum, sprachen belanglose Worte und lächelten unecht. „Kann ich dir etwas bringen, Papa?“ fragte Olivia, während sie ihm einen Tee reichte, den sie nicht einmal selbst zubereitet hatte. „Opa, du musst dich entspannen.
Wir werden uns um alles kümmern“, sagte Derek, Richards jüngster Sohn, dessen Augen sehnsüchtig auf die wertvollen Gemälde an den Wänden fixiert waren, als würde er mental bereits das Erbe katalogisieren.
Herr Lewis konnte all das mit schwerem Herzen beobachten. Er wusste, dass ihre Anwesenheit nur dem Geld galt, nicht der Liebe. Sie wollten nur ihren Teil vom Kuchen, bevor er ging. Aber Herr Lewis war kein Narr.
Nachdem er friedlich im Schlaf entschlafen war, hatten seine Kinder und Enkel nur noch eines im Kopf: die Erbschaft. Auch am Tag der Testamentsverlesung schien das Trauern längst vergessen.
Sie drängten sich im Büro des Anwalts, unruhig und voller Ungeduld. „Er hat bestimmt das meiste mir hinterlassen“, flüsterte Olivia selbstgefällig. Richard schmunzelte und entgegnete: „Du träumst. Vater sagte immer, ich hätte den besten Geschäftssinn.“
Das Gespräch verstummte, als die Tür sich öffnete. Der Anwalt der Familie, Herr Alaric, trat herein, gefolgt von einem kleinen Mädchen, nicht älter als dreizehn. Ihre Ankunft war still und unerwartet, und die gierigen Erben sahen sich verwirrt um.
„Wer ist dieses Kind?“ fragte Richard, sein selbstgefälliges Grinsen schwand. „Das“, sagte Herr Alaric mit einem Ton, den niemand deuten konnte, „ist Harper. Sie ist hier, um die Verlesung des Testaments zu hören.“
Die Erben schauten sich verblüfft an. Harper, ein ruhiger und unschuldiger Fleck inmitten des Meers aus Gier, war diejenige, die den Schlüssel zu einer unerwarteten Wendung trug. Herr Alaric blätterte in seinen Papieren, das Rascheln der Seiten durchbrach die angespannte Stille. „Niemand von Ihnen weiß es, aber Harper ist die Alleinerbin von Herrn Lewis’ gesamtem Vermögen“, sagte er ruhig.
Die Reaktion war explosiv. Richard sprang auf, das Gesicht rot vor Wut. „Was zum Teufel sagen Sie da? Sie ist doch nur ein Kind! Vater hätte das nie getan!“ Olivia wirkte verzweifelt.
„Das ist absurd! Wir sind seine leiblichen Kinder!“ Doch Herr Alaric hob ruhig die Hand. „Ich verstehe, dass dies überraschend ist, aber Herr Lewis wusste genau, was er tat. Er hat einen Brief hinterlassen, in dem alles erklärt wird. Ich werde ihn jetzt vorlesen.“
Die Familie verstummte, als der Anwalt den Brief entfaltete und vorlas:
„Liebe Familie,
ich verstehe, dass meine Entscheidung euch verwirren, vielleicht auch verletzen mag. Doch ich bitte um eure Aufmerksamkeit. Harper war in den letzten Jahren der Lichtblick in meinem Leben. Sie ist das Mädchen, dessen Eltern nebenan wohnen.
Sie war die Erste, die bemerkte, dass es mir nicht gut ging. Während ihr alle mit euren eigenen Leben beschäftigt wart, kam Harper täglich zu mir. Sie verlangte weder Geld noch Gefälligkeiten. Sie spielte Karten mit mir, erzählte Witze oder las mir vor. Ihre Gesellschaft war meine Rettung in den letzten Jahren. Harper ist meine wahre Familie.“
Während die Worte des Vaters nachhallten, senkten die Kinder den Blick. „Harper hat selbst viel zu kämpfen“, fuhr der Brief fort. „Sie erhielt vor einigen Monaten eine schreckliche Diagnose. Doch sie hat immer von den Dingen geträumt, die sie noch erleben möchte. Mit dem, was ich ihr hinterlasse, kann sie diese Wünsche erfüllen.“
Der Raum war in Stille gehüllt, als Herr Alaric den Brief schloss. Richard und Olivia sahen sich an, Tränen in den Augen. Harper, die das Gespräch schweigend verfolgt hatte, trat nach vorne. „Herr Lewis war mein Freund. Ich wollte nie sein Geld. Ich wollte nur seine Zeit.“