Ein neuer Anfang für Viktoria Petrowna, Als Viktoria Petrowna die Tür des brandneuen Friseursalons in ihrem Viertel öffnete, hielt sie für einen Moment den Atem an. „Mein Gott, wie schön es hier ist!“, dachte sie und ließ ihren
Blick durch den eleganten Raum schweifen. An den Wänden prangten Bilder atemberaubender Models mit kunstvollen Frisuren, große Spiegel funkelten makellos, und die edlen Friseurstühle versprachen puren Komfort.
Alles hier schien darauf ausgelegt, Schönheit und Luxus zu zelebrieren. Ein wenig verlegen trat sie näher und sagte mit sanfter Stimme: „Meine Lieben, gibt es hier einen freien Meister? Ich hätte gern eine neue Frisur und eine Haarfarbe.“
Kaum hatte sie ausgesprochen, sah sie, wie die Friseurinnen einander vielsagende Blicke zuwarfen. Dann kräuselten sich ihre Lippen zu spöttischen Lächeln, während ihre Augen abschätzend über die kleine, zierliche Frau in ihrem abgetragenen
Mantel und den altmodischen Stiefeln glitten. Sie sah nicht aus wie die Kundinnen, die sie sonst bedienten – und in ihren Augen gehörte sie auch nicht hierher. „Und was genau stellen Sie sich vor?“, fragte schließlich eine junge
Frau mit dem Namensschild Aljona, ihre Stimme triefte vor herablassender Neugier. Viktoria Petrowna zog vorsichtig eine gefaltete Seite aus einer Zeitschrift aus ihrer Tasche. „So etwas hier…“ murmelte sie schüchtern und zeigte das Bild einer eleganten, modernen Kurzhaarfrisur.
Für einen Moment herrschte Stille. Dann brach Aljona in schallendes Gelächter aus. „Ihr hört das, Mädels? Sie will diese Frisur! Das ist doch nicht Ihr Ernst, oder?“ „Erstens“, fiel eine andere Friseurin kichernd ein, „ist das eine Frisur für junge Frauen.
Junge, verstehen Sie? Zweitens, haben Sie sich mal Ihre Haare angeschaut? Dünn, spröde, grau – wenn ich da zwei Mal mit der Schere ansetze, bleibt nichts mehr übrig!“ „Und drittens“, fügte Aljona mit einem süffisanten Lächeln hinzu,
„das kostet eine Menge Geld. Ich wette, Ihre ganze Rente reicht nicht mal für die Hälfte.“Viktoria Petrowna fühlte, wie sich ihre Wangen heiß färbten. Trotzdem sagte sie leise, aber bestimmt: „Ich habe Geld…“
„Oho, hört, hört!“, rief Aljona gespielt dramatisch aus. „Na, dann sagen Sie mal – wollen Sie mit dieser Frisur einen neuen Opa aufreißen?“ Der Raum füllte sich mit schallendem Gelächter. Für einen Moment hoffte Viktoria Petrowna,
dass eine der jungen Frauen Mitleid mit ihr haben und sich für sie einsetzen würde. Doch niemand tat es. Mit gesenktem Kopf, aber aufrechter Würde verließ sie den Salon. Draußen schlug ihr die frische Frühlingsluft entgegen, und sie atmete tief durch.
Nein, sie würde sich ihre Freude an diesem besonderen Tag nicht nehmen lassen! Während sie weiter durch die Straßen schlenderte, fiel ihr ein kleiner, unscheinbarer Friseursalon ins Auge. Zwei Stühle, ein schlichtes Schild, eine einladende Tür.
Kaum hatte sie sie geöffnet, begrüßte sie eine junge Frau mit einem offenen, ehrlichen Lächeln. „Guten Tag, möchten Sie sich die Haare schneiden lassen?“ „Ja, mein Kind“, sagte Viktoria Petrowna zögernd.
Sie erwartete, dass auch hier Gelächter folgen würde. Doch die junge Friseurin bedeutete ihr nur, Platz zu nehmen, und lächelte warm: „Erzählen Sie mir, wie Sie sich Ihre Frisur vorstellen.“ Fast ein wenig ängstlich zog Viktoria
Petrowna wieder ihre Zeitschrift hervor. „Es ist eine moderne Frisur… vielleicht zu modern für mich, aber…“ Die Friseurin nahm das Bild und betrachtete es aufmerksam. Dann legte sie es beiseite, blickte Viktoria Petrowna tief in die Augen und sagte mit fester Stimme:
„Diese Frisur wird Ihnen fantastisch stehen. Ich kann Ihre grauen Haare in ein edles Silber verwandeln, oder wir suchen gemeinsam eine Farbe aus, die perfekt zu Ihnen passt. Und keine Sorge – es wird wunderschön und bezahlbar.“
Viktoria Petrowna spürte, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. „Danke, mein Kind… Ich habe heute meinen siebzigsten Geburtstag. Ich wollte mir einfach eine kleine Freude machen.“ „Dann umso mehr Grund, dass Sie sich heute wie eine
Königin fühlen! Herzlichen Glückwunsch! Und keine Sorge, um Ihre Schönheit kümmere ich mich jetzt“, sagte die Friseurin und begann mit geschickten Händen ihr Werk. Drei Stunden später trat Viktoria Petrowna aus dem kleinen Salon – eine neue Frau.
Ihre Haare leuchteten in einem sanften, silberblonden Ton, die elegante Frisur umrahmte ihr Gesicht perfekt, und in ihrem Herzen fühlte sie sich plötzlich zehn Jahre jünger. „Was für ein Geschenk…“, dachte sie glücklich.
Während sie durch die Straßen spazierte, rief plötzlich eine vertraute Stimme: „Viktoria Petrowna, sind Sie das wirklich?“ Sie drehte sich um und erkannte eine wunderschöne, stilvolle Frau – ihre ehemalige Schülerin Anna Wolkowa!
„Anjutka, mein Schatz! Wie du dich verändert hast!“ Sie umarmten sich herzlich. „Ich habe Sie ewig nicht gesehen! Wie geht es Ihnen?“ „Ach, ich lebe so vor mich hin… Und du? Was machst du jetzt?“ „Kommen Sie doch mit mir
– ich habe eine Überraschung für Sie“, sagte Anna geheimnisvoll. Lächelnd willigte Viktoria Petrowna ein. Doch als sie vor dem noblen Friseursalon stand, in dem sie vor wenigen Stunden gedemütigt worden war, stockte sie.
„Anjutka… das ist dein Salon?“ „Ja! Ich habe mir meinen Traum erfüllt!“ Viktoria Petrowna spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Langsam hob sie den Kopf und sah in die Gesichter der Friseurinnen, die sie verspottet hatten.
Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen. Und dann erzählte sie Anna alles. Die junge Frau hörte schweigend zu. Ihr Gesicht wurde blass, dann rot vor Zorn. Als Viktoria Petrowna geendet hatte, drehte sich Anna abrupt zu ihren Mitarbeiterinnen um und sagte kalt:
„Ihr seid gefeuert. Sofort. Mein Salon soll ein Ort sein, an dem sich jeder Kunde willkommen fühlt – und nicht ein Platz für Arroganz und Verachtung.“ Die jungen Frauen blieben sprachlos zurück. Doch für Viktoria Petrowna hielt das Schicksal noch eine weitere Überraschung bereit.
Am Abend feierte sie ihren Geburtstag mit alten Schulfreunden, lachte, tanzte und fühlte sich so lebendig wie schon lange nicht mehr. Und am nächsten Tag trat Katja ihre neue Stelle in Annas Salon an – mit einem Gehalt, das ihr ein besseres Leben ermöglichte.
Am Abend suchte Viktoria Petrowna sie auf. „Katjuscha, ich habe keine Kinder, keine Enkel. Und niemanden, dem ich mein Zuhause hinterlassen kann. Zieh mit deinem Sohn zu mir. Ihr seid jetzt meine Familie.“
Katja riss die Augen auf. Dann liefen ihr Tränen über die Wangen. „Ich habe mir immer eine Tochter gewünscht“, sagte Viktoria Petrowna leise und drückte Katja fest an sich. Und so begann für beide Frauen ein neuer, glücklicher Lebensabschnitt.