Es erschreckt mich, wie sehr es uns heutzutage an gegenseitiger Fürsorge und Empathie fehlt.
Die moderne Welt scheint sich so schnell zu drehen, dass wir die grundlegenden Werte vergessen, die früher das Fundament unserer zwischenmenschlichen Beziehungen bildeten.
Vor Kurzem hatte ich die Gelegenheit, das mit eigenen Augen zu erleben – eine Erfahrung, die mich tief berührte und zum Nachdenken brachte. Es geschah während meiner täglichen Busfahrt mit der Linie 7.
Zwischen den überfüllten Sitzen und dem Gedränge fiel ein Satz, der mich buchstäblich schockierte und empörte.
Im Bus saß ein junges Mädchen, vermutlich etwa achtzehn Jahre alt, auf einem bequemen Platz, den wohl jeder von uns nach einem langen Tag gerne gehabt hätte.
Zu ihr trat eine hochschwangere Frau – mit einem deutlich sichtbaren Babybauch, der darauf hinwies, dass sie mindestens im achten Monat war.
Mit etwas Mühe und sichtlicher Anstrengung bat sie das junge Mädchen höflich, ihr den Platz zu überlassen.
Die Antwort, die ich daraufhin hörte, war erschreckend gefühllos:
„Du hast doch zwei Beine, und wenn du unbedingt sitzen willst, soll dich halt jemand mit dem Auto fahren.“**
Diese Worte trafen mich wie ein kalter Schauer. Ich konnte kaum glauben, dass man in der heutigen Zeit in einer so offensichtlichen Situation so viel Herzlosigkeit und Empathielosigkeit zeigen kann.
Deshalb habe ich mich entschieden, diesen Brief an genau dieses junge Mädchen zu richten – weil ich glaube, dass sie sich der Tragweite dieser Situation vielleicht gar nicht bewusst war.
Ich möchte ihr helfen zu verstehen, warum ihr Verhalten so falsch war.
Erstens – man sollte sich bewusst machen, was es bedeutet, so weit fortgeschritten schwanger zu sein.
Eine Frau mit einem großen Bauch, im achten Monat, trägt ein unschuldiges Kind unter ihrem Herzen, das jeden Tag mehr Ruhe und Schutz braucht.
Es geht nicht nur um das Gewicht des Kindes, das den Bauch schwer macht – vor allem verändert sich das körperliche Gleichgewicht der Mutter.
Sich mit so einem Bauch fortzubewegen ist keine normale Tätigkeit – es verlangt Kraft und Aufmerksamkeit.
Der Körperschwerpunkt verlagert sich nach vorne, wodurch sich die Frau instabiler fühlt und wackeliger auf den Beinen steht.
Ein plötzlicher Bremsvorgang oder eine scharfe Kurve des Busses kann da sehr gefährlich werden.
Eine schwangere Frau ist keine behinderte Person – ja, sie kann stehen – aber das bedeutet nicht, dass sie sich und ihr Kind unnötigen Risiken aussetzen sollte.
Die Erschwernisse beim Gehen, das Gleichgewichtsproblem, das Stehen in einem ruckelnden, vollen Bus – all das zeigt, dass das Überlassen eines Sitzplatzes für eine Schwangere nicht nur eine höfliche Geste ist, sondern eine Pflicht aus Rücksicht auf Gesundheit und Leben.
Vielleicht war das junge Mädchen müde, vielleicht taten ihr wirklich die Beine weh, vielleicht hatte sie einfach einen schlechten Tag – oder es fehlte ihr schlicht an Einsicht und Mitgefühl.
Jeder von uns hat das Recht, müde zu sein und sich ausruhen zu wollen – aber niemand sollte seinen eigenen Komfort über die Sicherheit und das Wohl anderer stellen, besonders nicht über die der Schwächsten.
Denn sind ihre eigenen Probleme – Müdigkeit oder Unwohlsein – wirklich wichtiger als das Leben und die Gesundheit eines ungeborenen Kindes?
Es geht hier nicht einfach nur um einen „freien Platz“, sondern um realen Schutz vor Gefahr.
Ein Bus kann bei einer abrupten Bewegung dazu führen, dass eine stehende Person das Gleichgewicht verliert und stürzt.
Für eine schwangere Frau kann ein Sturz nicht nur schmerzhaft sein – er kann ein echtes Risiko für sie und ihr Kind darstellen. Solche Unfälle können tragische Folgen haben, auch wenn wir im Alltag nicht gern darüber nachdenken.
Ein Sturz auf den Bauch kann zu einer Frühgeburt, einer Plazentaablösung oder anderen schweren Komplikationen führen.
Diese Szene im Bus ist leider ein Beispiel dafür, wie sehr wir uns von grundlegender menschlicher Sensibilität entfernt haben.
Täglich begegnen wir auf den Straßen älteren Menschen, Schwangeren, Menschen mit Behinderungen – und doch schauen wir oft weg oder bleiben gleichgültig, anstatt Hilfe anzubieten.
Das ist das Problem der heutigen Welt: Individualismus und Egoismus verdrängen Mitgefühl und Fürsorge.
Ich schreibe diesen Brief nicht, um zu verurteilen – sondern um Bewusstsein zu schaffen.
Um daran zu erinnern, dass jeder von uns die Wahl hat – wir können gleichgültig bleiben oder wir können versuchen, die Bedürfnisse anderer zu sehen und zu helfen, wenn wir können.
Das erfordert keinen großen Aufwand – ein einfaches „Bitte“, „Danke“ oder das Überlassen eines Platzes reicht oft schon. Solche kleinen Gesten schaffen eine bessere, menschlichere Welt.
Ich wünsche mir, dass dieses junge Mädchen erkennt, dass Empathie keine Schwäche ist – sondern eine Stärke.
Dass Fürsorge für andere, besonders für Bedürftige, ein Zeichen von Reife und Verantwortungsbewusstsein ist.
Ich hoffe, dass sie eines Tages selbst in einer ähnlichen Lage sein wird – vielleicht als werdende Mutter oder einfach in einer Situation, in der sie auf Hilfe angewiesen ist – und dann verstehen wird, wie wichtig solche kleinen Gesten sein können, um Gesundheit oder sogar Leben zu bewahren.
Möge dieser Brief uns allen eine Mahnung und eine Erinnerung sein.
Es lohnt sich, sich bewusst zu machen, dass hinter jedem Menschen eine Geschichte steckt – oft schwieriger, als wir annehmen.
Und manchmal können genau unsere Freundlichkeit und unser Verständnis den Tag eines anderen verändern – oder sogar sein ganzes Leben.