Nazim hatte schon lange den Traum, eine kleine Bäckerei zu eröffnen, in der er zusammen mit seiner Frau Fatima orientalisches Gebäck an die Kunden verkaufen konnte. Obwohl der Weg dorthin voller Herausforderungen war, gab er nicht auf.
Mit viel Hingabe und Durchhaltevermögen schaffte er es schließlich, seinen Traum zu verwirklichen. Im Laufe der Jahre wurde er nicht nur ein angesehener Bäcker, sondern auch Vater und Großvater.
Nazim war ein freundlicher und mitfühlender Mann, der Kinder sehr liebte. Oft behandelte er sie großzügig und gab ihnen kostenlos Gebäck, denn für ihn waren sie die „Blumen des Lebens“. Ebenso hatte er ein großes Herz für streunende Tiere,
die er regelmäßig fütterte. Zudem unterstützte er das örtliche Tierheim, da er Hunde und Katzen als treue Begleiter des Menschen betrachtete. Jeden Morgen begann er seinen Tag damit, ein paar streunende Tiere zu versorgen,
darunter eine alte britische Katze, die von ihren Besitzern ausgesetzt worden war.
Eines Morgens, während Fatima sich um das frische Gebäck kümmerte, brachte Nazim die übrig gebliebenen Backwaren vom Vortag nach draußen, um sie an die hungrigen Tiere zu verteilen. Gerade als er die Tiere beruhigte,
damit sie sich nicht um das Futter stritten, spürte er eine leichte Berührung an seiner Schulter. Eine leise Stimme fragte: „Kann ich auch ein Stück Brot haben?“
Überrascht drehte er sich um und sah ein etwa zehnjähriges Mädchen vor sich stehen. Ihre ausgehungerte Erscheinung ließ sein Herz zusammenziehen. Als sie ihm erklärte, dass sie nicht genug Geld habe, um frisches Brot zu kaufen,
winkte er ab und gab ihr eine frische Tüte voller Leckereien. Zusätzlich legte er noch einige Pfirsiche und einen Apfel dazu und schlug vor, dass sie sich setzen und in Ruhe essen könne. Doch das Mädchen bedankte sich höflich,
drückte die Tüte an ihre Brust und lief in Richtung Stadtplatz davon. Fatima, die das Gespräch beobachtet hatte, war gerührt. Auch Nazim verspürte einen unerklärlichen inneren Drang, dem Mädchen zu folgen.
Ohne lange zu überlegen, zog er seine Schürze aus, verabschiedete sich von seiner Frau und eilte ihr nach.
Am Stadtplatz angekommen, sah er, wie das Mädchen freudig einen großen Hund begrüßte. „Lakki, Lakki! Schau, was ich für dich habe!“, rief sie, während sie ihm ein Brötchen reichte. Der Hund, offensichtlich ihr treuer Begleiter,
fraß gehorsam, während das Mädchen einen kleinen Gummiball aus ihrer Tasche nahm und mit ihm verschiedene Kunststücke vorführte. Die beiden harmonierten perfekt miteinander, und schon bald versammelte sich eine begeisterte
Menschenmenge um sie herum. Die Zuschauer lachten und applaudierten, während das Mädchen mit ihrem Hund eine beeindruckende Darbietung zeigte.
Nach der Vorstellung sammelte sie mit einer alten Schuhschachtel Spenden ein. Die Zuschauer warfen großzügig Münzen und kleine Scheine hinein. Nazim, tief bewegt von ihrem Talent und ihrer Bescheidenheit, zog seine
Geldbörse hervor und legte ihr einen großzügigen Betrag in die Schachtel. Das Mädchen war überrascht und wollte ihm einen Teil des Geldes zurückgeben, doch er lehnte ab und lobte ihre großartige Vorstellung.
Als das Mädchen sich schließlich auf den Heimweg machte, beschloss Nazim, sie zu begleiten, um sicherzugehen, dass sie gut nach Hause kam. Sie stellte sich als Nastya vor und erzählte ihm unterwegs ihre Geschichte.
Vor zwei Jahren hatte sie einen ausgesetzten Welpen in einer Tasche bei den Mülltonnen gefunden. Sie nahm ihn mit nach Hause und zog ihn mit Milch auf. Sie nannte ihn „Lakki“, was auf Englisch „Glückspilz“ bedeutet.
Trotz ihrer schwierigen Lebensumstände war Nastya eine sehr gute Schülerin. Als sie das Wohnhaus erreichten, lud Nastya ihn spontan zu sich nach Hause ein. Nazim war zunächst überrascht, konnte aber ihr freundliches Lächeln nicht ablehnen.
Sie betraten eine kleine Wohnung, in der eine Frau mit müder Stimme fragte, warum sie so lange draußen gewesen sei. Als die Frau ins Licht trat, erschrak Nazim. Sie hielt sich an der Wand fest und bewegte sich unsicher. Erst jetzt bemerkte er, dass Nastya’s Mutter blind war.
Sein erster Gedanke war, dass sie vielleicht betrunken sei, doch als er in ihre Augen sah, begriff er die Wahrheit. Sie erzählte ihm, dass sie vor sieben Jahren bei einem Autounfall ihren Mann verloren hatte und seither blind war.
Nastya hatte den Unfall nur überlebt, weil sie an diesem Tag bei ihrer Großmutter war. Seitdem kümmerte sich das kleine Mädchen um ihre Mutter und verdiente mit ihren Straßenvorstellungen etwas Geld dazu.
Nazim kämpfte mit den Tränen, als er sah, wie geschickt Nastya Tee einschenkte und für ihre Mutter und ihren Hund sorgte. Trotz aller Schwierigkeiten war sie voller Hoffnung. Sie erzählte ihm, dass es im Ausland Behandlungsmöglichkeiten für ihre Mutter gebe,
die vielleicht ihre Sehkraft zurückbringen könnten. Diese Begegnung rührte Nazim zutiefst. Er war beeindruckt von der Stärke dieses kleinen Mädchens und begann zu überlegen, wie er ihr und ihrer Mutter helfen konnte.