An ihrem zehnten Hochzeitstag führte Mark seine Frau Emma in das teuerste Restaurant der Stadt, „La Belle Époque“, ein Ort, an dem sich die Reichen und Schönen zu besonderen Anlässen versammelten.
Die Atmosphäre war erlesen: Samtbezogene Stühle, fein gedeckte Tische und das sanfte Leuchten des Kronleuchters, das alles in ein warmes, goldenes Licht tauchte. Emma hatte sich auf diesen Abend gefreut. Sie stellte sich ein Festmahl vor, das ihre Sinne verzaubern würde – ein Erlebnis, das für immer in Erinnerung bleiben würde. Doch Mark hatte andere Pläne.
Als sie sich setzten, reichte er ihr die Speisekarte mit einem gezwungenen Lächeln. „Bestell, was du möchtest, Liebling,“ sagte er, doch in seinen Augen lag eine Kälte, die Emma einen Schauder über den Rücken jagte.
Als sie die exquisiten Gerichte auf der Karte sah, begann ihr Herz schneller zu schlagen. „Ich denke, ich nehme die Hummerbisque als Vorspeise und dann das Filet Mignon,“ sagte sie voller Vorfreude.
Marks Gesichtszüge verhärteten sich. „Wie wäre es, wenn du mit einem Haussalat anfängst? Halte es leicht. Du versuchst doch, Gewicht zu verlieren, oder? Vielleicht passt du dann endlich wieder in das rote Kleid, das ich so liebe.“
Seine Worte trafen Emma wie ein Dolchstoß. Die Scham brannte in ihren Wangen, während sie versuchte, ihre Fassung zu bewahren. „Mark, es ist unser Hochzeitstag…“ begann sie, aber er unterbrach sie kalt: „Du dachtest wohl, es wäre ein Festtag? Da hast du falsch gedacht.“
Der Kellner kam, und Mark bestellte ohne weitere Rücksprache für Emma den Haussalat und für sich selbst das luxuriöse Chateaubriand, begleitet von einer Flasche des besten Rotweins des Hauses. Der Kellner warf Emma einen mitleidigen Blick zu, doch sie brachte nur ein schwaches Lächeln zustande.
Während Mark sein opulentes Mahl genoss, jeden Bissen des saftigen Steaks lobte und den Wein in vollen Zügen kostete, stocherte Emma bedrückt in ihrem kümmerlichen Salat herum. Ihr Unmut wuchs mit jedem Moment, und in ihrem Inneren regte sich ein Gedanke – eine Idee, die immer klarer wurde, je mehr sie Marks selbstgefälliges Grinsen beobachtete.
Am nächsten Morgen war Emma früh wach. Sie fühlte sich wie neu geboren, von einer Energie durchströmt, die sie schon lange nicht mehr gespürt hatte. Während Mark noch schlief, plante sie jeden Schritt ihres Vorhabens akribisch. Nachdem er zur Arbeit gegangen war, setzte sie ihren Plan in die Tat um.
Zunächst rief sie im „La Belle Époque“ an und sprach mit dem Manager. Sie schilderte ihm, was am Vorabend passiert war, und erklärte, was sie für den heutigen Abend vorhatte. Der Manager, beeindruckt von ihrer Entschlossenheit, versprach, sie in jeder Hinsicht zu unterstützen.
Anschließend besorgte sie sich das rote Kleid, das Mark so sehr liebte – ein Kleid, das nun eine ganz neue Bedeutung bekommen sollte. Zuletzt klärte sie mit einer Anwältin die Details über ein geheimes Konto, auf dem Mark seit Jahren Geld angespart hatte. Das Wissen um diese finanzielle Absicherung gab Emma die letzte Sicherheit, die sie brauchte.
Am Abend kehrte Mark nach Hause zurück und fand eine kurze, aber deutliche Nachricht von Emma: „Treff mich um 19 Uhr im La Belle Époque. Zieh dich schick an. – Emma.“ Mark lächelte selbstzufrieden. Er dachte, es würde ein weiterer Abend zu seinen Bedingungen werden. Er ahnte nicht, dass Emma den Spieß längst umgedreht hatte.
Im Restaurant angekommen, erwartete ihn Emma bereits. Sie sah atemberaubend aus in dem roten Kleid, und ihr Lächeln war so süß wie rätselhaft. „Worum geht es, Emma?“ fragte er, als er Platz nahm.
„Du wirst schon sehen,“ erwiderte sie und gab dem Kellner ein Zeichen. Sie hatte bereits alles arrangiert – Hummerbisque, Filet Mignon und den besten Wein, den das Restaurant zu bieten hatte. Mark schaute immer verwirrter drein, je mehr Gänge aufgetragen wurden, doch er sagte nichts.
Als die Spannung den Höhepunkt erreichte, erhob sich Emma mit einem Glas Wein in der Hand. „Meine Damen und Herren,“ begann sie laut genug, dass alle im Restaurant sie hören konnten, „ich habe heute Abend eine besondere Ankündigung zu machen.“
Mark erstarrte, während alle Augen auf sie gerichtet waren. „Gestern Abend,“ fuhr Emma fort, „hat mein Ehemann mich gedemütigt, indem er mich gezwungen hat, einen einfachen Salat zu essen, während er sich selbst ein Festmahl gönnte. Heute Abend wollte ich ihm zeigen, was wahre Großzügigkeit bedeutet.“
Die Gäste tuschelten, und Mark spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. „Emma, hör auf damit,“ zischte er, doch sie war nicht zu bremsen. „Ich habe das Essen für uns beide bezahlt – und nicht nur das! Heute Abend wird mein lieber Ehemann für die Mahlzeiten von allen hier anwesenden Gästen aufkommen, dank des Notfallfonds, den er all die Jahre vor mir versteckt hat.“
Mark war sprachlos, seine Augen weit vor Schock und Entsetzen. Emma setzte sich mit einem selbstzufriedenen Lächeln. „Das war unser zehnter Hochzeitstag, Mark. Ich hoffe, er war unvergesslich – zumindest für dich.“
Während die Gäste in Jubel ausbrachen und Emma stolz den Raum verließ, wusste sie, dass dies der Moment war, in dem sie ihre Würde zurückgewonnen hatte. Es war der Hochzeitstag, den Mark nie vergessen würde – und sie auch nicht.