Das Geheimnis des Teddybären . Es begann mit einem Geschenk. Harmlos. Unverdächtig. Ein süßer, cremefarbener Teddybär mit glänzenden Knopfaugen, kuscheligem Fell und einem freundlichen Lächeln.
„Für dich, meine kleine Lisa“, hatte meine Schwiegermutter Cynthia gesagt und den Bären feierlich überreicht. Lisa strahlte, drückte ihn fest an sich. „Danke, Oma! Ich liebe ihn!“ Doch was wir damals nicht ahnten: Dieser Teddybär war kein gewöhnliches Kuscheltier.
Er war ein Schlüssel. Ein dunkles Tor zu einem Albtraum, aus dem es kein Zurück gab. Die ersten Schatten. Lisa war ein Sonnenschein, voller Energie, immer singend, lachend, tanzend. Doch nach Cynthias Einzug… veränderte sie sich.
Es begann schleichend. Zuerst wurde sie müder. Dann stiller. Ihr Lächeln verblasste, ihre einst strahlenden Augen wirkten glasig. „Lisa, Schatz, ist alles in Ordnung?“ fragte ich eines Abends, als sie apathisch über ihrem Malbuch hing.
Sie zuckte zusammen, als hätte ich sie aus einem tiefen Traum gerissen. „Ja, Mama… Ich bin nur müde.“ Müde. Immer müde. Ich begann, mir Sorgen zu machen. Und dann kam die Nacht, die alles veränderte.
Das Schlafwandeln. Etwas weckte mich. Ein leises Schaben. Schritte. Ich setzte mich auf. Lauschte. Dann sah ich sie. Lisa. Barfuß. Mitten im dunklen Flur. Ihre kleinen Hände umklammerten den Teddybären, ihr Blick war leer.
Sie bewegte sich mechanisch, als würde eine unsichtbare Kraft sie lenken. Mein Herz raste. „Lisa?“ flüsterte ich. Keine Reaktion. Langsam folgte ich ihr. Durch den Flur. Die Treppe hinunter. In Richtung des Wohnzimmers.
Dann – stoppte sie abrupt. Ich hielt den Atem an. Ihre Lippen bewegten sich. Ein Flüstern. Kaum hörbar. „Ich darf es nicht sagen… Ich darf es nicht sagen…“ Mein Blut gefror. Der unheimliche Verdacht.
Am nächsten Morgen erzählte ich Tony davon. „Schlafwandeln? Lisa?“ Er rieb sich die Schläfen. „Das ist… seltsam.“ Doch bevor wir weiterreden konnten, mischte sich Cynthia ein. „Oh, Tony hat das als Kind auch gemacht! Völlig harmlos!“
Sie winkte ab, als wäre es das Normalste der Welt. Aber ich wusste, dass es das nicht war. Denn in dieser Nacht hörte ich Lisa wieder. Flüsternd. Redend. Mit dem Teddybären. Das verschwundene Geld.
Dann kam der Morgen, an dem Tony seine Brieftasche durchsuchte. „Amelie… hast du Geld genommen?“ Seine Stirn war gerunzelt. „Nein… warum?“ „Es fehlt etwas.“ Ich öffnete meine eigene Tasche – und mein Herz setzte aus.
Dort lag das fehlende Geld. Genau in der gleichen Faltung, wie Tony es immer zusammenlegte. Ein Schauer kroch meine Wirbelsäule hinauf. Wie war es hierher gekommen? Lisa? Nein… unmöglich… oder?
Das Flüstern der Nacht. Ich wusste, dass ich handeln musste. Also blieb ich wach. Wartete. Und dann – kam sie wieder. Lisa, barfuß, mit dem Bären im Arm. Diesmal ging sie nicht ins Wohnzimmer.
Sondern in Cynthias Zimmer. Ich schlich hinterher. Mein Herz hämmerte. Und dann hörte ich es. Cynthias Stimme. Leise. Sanft. Fast hypnotisch. „Geh ins Schlafzimmer deiner Eltern… Nimm das Geld… Vergiss nicht, es ist unser kleines Geheimnis…“
Ein eiskalter Schock durchfuhr mich. Cynthia. Lisa. Der Teddybär. Das war kein Zufall. Das dunkle Geheimnis. Ich rannte zurück, rüttelte Tony wach. „Komm mit! Jetzt!“ Tony, noch halb im Schlaf, stolperte hinter mir her.
Doch als wir Cynthias Zimmer betraten – lag sie friedlich schlafend da. Lisa neben ihr. Ich erstarrte. War ich… verrückt? Hatte ich mir das eingebildet? Tony seufzte. „Amelie… vielleicht steigst du da zu sehr rein…“
„Nein!“ zischte ich. „Ich weiß, was ich gehört habe!“ Doch mir fehlte der Beweis. Bis zum nächsten Tag. Der Teddybär lügt nicht . Lisa spielte im Garten, der Teddybär saß auf ihrem Schoß. Ich nahm ihn vorsichtig in die Hände.
Untersuchte ihn. Und dann – spürte ich es. Eine kleine Unebenheit. Ich öffnete vorsichtig die Naht. Und da war es. Ein Funkgerät. Mein Atem stockte. Ich eilte ins Schlafzimmer, durchsuchte Cynthias Bett – und fand das Gegenstück.
Sie hatte Lisa manipuliert. Steuerte sie im Schlaf. Flüsterte ihr Befehle ein. Tony trat hinter mich. Sah das Gerät. Sein Gesicht wurde kreidebleich. „Mom… was hast du getan?“ Cynthia blickte uns an. Ihre Augen füllten sich mit Tränen.
„Ich… ich wollte nur… dazugehören… wichtig sein…“ Doch es war zu spät. Ein Vertrauen, das einmal gebrochen ist, heilt nie ganz. Und Lisa? Sie umarmte mich. „Mama… der Teddybär redet nicht mehr mit mir.“
Ich strich ihr übers Haar. „Er wird nie wieder mit dir reden, mein Schatz.“ Denn manche Geheimnisse sollten für immer im Dunkeln bleiben.