Kira und ihr Mann Gennadiy lebten in einer einfachen, aber gemütlichen Wohnung in einem alten Plattenbau, die Kira nach dem Tod ihrer Eltern geerbt hatte.
Ihre Kindheit war von Armut geprägt. Ihre Mutter, die in der Nachbarschaft als „verloren“ galt, kämpfte mit Alkoholproblemen, und ihr Vater war bei einem Angelausflug gestorben, als Kira noch ein kleines Mädchen war.
Viele Nachbarn hatten Mitleid mit ihr, schlichen sich heimlich an und gaben ihr ab und zu etwas zu essen. Doch Kira hatte sich geschworen, niemals wieder auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein.
Sie wollte für sich selbst sorgen, genug Geld sparen und sich ein Leben aufbauen, das sie nicht auf fremde Wohltätigkeit angewiesen machte.
Gennadiy, der in einer gut situierten Familie aufgewachsen war, fand ihre Sparsamkeit bewundernswert und unterstützte sie.
In den ersten Monaten ihrer Ehe gaben sie sich noch gegenseitig Tipps, wie sie ihre Finanzen besser organisieren konnten. Gennadiys Mutter, eine pragmatische Frau, hatte einen Rat, der Kira gefallen hatte:
„Du solltest nicht das ganze Geld deines Mannes einstecken. Lass ihm etwas für Blumen und Geschenke für dich und seine Familie. Der Rest gehört dem gemeinsamen Haushalt.
Und von diesem Anteil solltest du einen Teil beiseitelegen.“ Kira fand diese Idee sinnvoll und begann, auch ihr eigenes Geld, das sie als Reisebüroangestellte verdiente, zu sparen.
So legten sie gemeinsam den Grundstein für ihre finanzielle Unabhängigkeit.
Nach einigen Jahren konnten sie ihre Wohnung renovieren, neue Möbel und Geräte anschaffen und sich sogar ein Auto leisten – ein bescheidenes, aber zuverlässiges Modell.
Jahre später war ihr Sohn Andrej, inzwischen 25 Jahre alt, ein erfolgreicher IT-Spezialist, der mehr verdiente als beide Eltern zusammen.
Zu ihrem Hochzeitstag überraschte er sie mit einem Geschenk, das sie nie erwartet hätten: Ein brandneuer SUV, der, obwohl er aus China stammte, beeindruckend und stattlich aussah.
Andrej und seine Frau Lesya überreichten das Geschenk im Hof, und sofort zog es die Aufmerksamkeit aller Nachbarn auf sich.
Das riesige Fahrzeug, mit einem roten Band geschmückt, blockierte fast die gesamte Straße und zog neugierige Blicke auf sich.
Besonders Kiras ehemalige Klassenkameradin Mariusja und ihre Familie hatten sich extra auf den Balkon gestellt, um das Spektakel zu beobachten.
Die Reaktionen der Nachbarn waren gemischt.
Einige applaudierten und gratulierten Kira und Gennadiy, während andere, besonders Mariusjas Ehemann Nikolai, spöttische Bemerkungen machten.
„Was kostet so ein Ding? Ein paar hunderttausend, oder was?“, fragte er immer wieder, um eine Antwort von Andrej zu erzwingen.
Doch Andrej, sichtlich verlegen, weigerte sich, den Preis zu nennen. „Es ist ein Geschenk, Onkel Kolja“, antwortete er höflich. „Ich möchte das nicht vor meinen Eltern aussprechen.“
„Ach, wenn du ehrlich arbeitest, solltest du schon sagen können, wie viel das gekostet hat!“, rief Nikolai, immer mehr in Rage. „Oder hast du es etwa auf Raten gekauft?“
„Nein, es wurde bar bezahlt!“, entgegnete Andrej scharf. „Wenn es euch so interessiert, geht doch zum Autohaus und fragt selbst nach.“
„Was soll ich da?“, knurrte Nikolai zurück. „Nun, seht mal, wie die Eltern sich hier aufführen. Zuerst schauen sie auf uns herab, und dann haben sie so ein teures Auto!“
Den Rest des Tages verbrachten die Nachbarn damit, sich über den SUV zu unterhalten, Gerüchte über den Preis zu verbreiten und zu spekulieren, ob das Fahrzeug auf Kredit gekauft worden war.
Kira und Gennadiy freuten sich über das Geschenk ihres Sohnes, doch der Neid der Nachbarn trübte allmählich ihre Freude.
Am nächsten Morgen, als Gennadiy das Auto in Bewegung setzen wollte, stellte er fest, dass der glänzende, blaue Lack des Wagens mit Schmierereien und Graffiti überzogen war.
Beleidigungen und vulgäre Worte prangerten auf dem Fahrzeug. „Bürgerliche“, „Aristokraten“ und ähnliche abfällige Begriffe waren auf dem Auto verteilt.
Die Vermutung, dass es Nikolai gewesen war, lag nahe, da er der einzige war, der für solche Taten bekannt war.
Gennadiy und Andrej meldeten den Vorfall bei der Polizei, doch der Polizist erklärte, dass in diesem Viertel kaum Kontrolle herrsche.
Es gäbe keine Überwachungskameras, und der Täter werde wohl nie gefunden werden.
Der Polizist mutmaßte, dass es wahrscheinlich Kinder gewesen seien, die sich aus Langeweile an dem Auto ausgelassen hätten.
Doch Gennadiy war überzeugt, dass es jemand aus der Nachbarschaft war – jemand, der neidisch auf ihren Erfolg war.
Ein paar Tage später nahm die Geschichte eine überraschende Wendung. Nikolai, der wieder einmal versuchte, sich an Gennadiys Auto zu vergehen, hatte einen unglücklichen Moment.
Diesmal war es nicht Gennadiy, der ihm entgegentrat, sondern Anton, der Sohn einer anderen Nachbarin. Anton, ein riesiger Kerl, packte Nikolai und drückte ihn gegen das Auto.
„Hast du das gemacht?“, fragte er mit bedrohlicher Stimme. Nikolai, der versuchte, sich herauszureden, stammelte eine Entschuldigung. Doch Anton ließ ihn nicht los.
„Dann wirst du für den Schaden bezahlen“, sagte er ruhig und forderte Nikolai auf, eine schriftliche Entschuldigung zu unterschreiben.
Nikolai, der kaum noch atmen konnte, stimmte schließlich zu.
Die Nachbarn, die das Geschehen beobachteten, waren stumm. Kira und Gennadiy, die das Ganze von ihrem Fenster aus sahen, spürten, wie sich die Stimmung im Viertel langsam veränderte.
Von diesem Tag an behandelten die Nachbarn Kira und Gennadiy mit mehr Respekt.
Zwar gab es immer noch spitze Bemerkungen, doch der Vorfall mit Nikolai hatte ihnen eine gewisse Anerkennung eingebracht.
Die Nachbarn erkannten langsam, dass Kira und Gennadiy nicht einfach „Bürgerliche“ oder „Reiche“ waren, sondern Menschen, die hart für ihr Glück gearbeitet hatten.