„Warum soll ich in meinem eigenen Haus nach deinen Regeln leben?“ fragte ich meine Schwiegermutter.

Unterhaltung

— Wer weiß, was ich gesagt habe, — Ludmila Viktorowna winkte müde ab, doch dann, als ob sie plötzlich ihre letzte Chance verspüren würde, platzte es aus ihr heraus: — Also… ich habe nachgedacht. Vielleicht bleibe ich für eine Woche.

Oder zwei. Bis ich etwas finde. Ein kalter Schauer lief Katya über den Rücken. Eine Woche oder zwei — das hieß bei Ludmila Viktorowna in der Realität meist für immer. — Und… das Geld aus dem Verkauf? — fragte Andrei vorsichtig.

Seine Mutter wirkte auf einmal, als sei sie um Jahrzehnte gealtert. — Das Geld… gab es, — murmelte sie. — Ich habe es in ein Geschäft investiert. Ein sicheres. Ich werde später darüber sprechen.

— Was für ein Geschäft? — Andrei ließ nicht locker. — Habe ich nicht gesagt, später?! — Ihre Stimme vibrierte, wie eine Saite, die gleich reißt. — Kann man nicht einmal in Ruhe hier sein? Drei Zimmer stehen leer, oder?

— Sie sind nicht leer, — Katya presste die Lippen aufeinander. — Wir haben ein Büro und… — Ein Büro! — fauchte die Schwiegermutter, doch diesmal war da nicht nur ihr übliches Grollen, sondern auch ein Hauch von… Angst?

Da schrillte ihr Telefon. Sie zuckte zusammen, als hätte sie einen elektrischen Schlag bekommen, und wischte hastig den Anruf weg. — Wer war das? — Andrei ließ sie nicht aus den Augen. — Niemand! Werbung! Diese lästigen Dinger!

— Sie drehte sich zum Fenster, doch Katya sah, wie ihre Hände bebten. — Ich sollte meine Sachen auspacken, — sagte Ludmila Viktorowna plötzlich, ohne ihren Sohn anzusehen. — Wo soll ich hin?

— Ins Wohnzimmer, — Katya deutete auf das ehemalige Büro. — Aber da… — Hervorragend! — rief die Schwiegermutter und griff sich ihren Koffer, als ob sie auf der Flucht wäre. — Das ist doch nicht normal, — murmelte Andrei, als die Tür hinter ihr ins Schloss fiel.

— Nicht normal?! — Katya starrte ihn fassungslos an. — Deine Mutter, die ihre Wohnung verehrt hat wie eine Königin ihren Thron, verkauft sie aus dem Nichts? Taucht hier mit einem einzigen Koffer auf? Und weicht jeder Frage aus?

— Und wo sind die anderen Sachen? — Andrei runzelte die Stirn. — Ihr Geschirr, die alten Möbel? Ein dumpfes Geräusch, gefolgt von einem erschrockenen Laut, ließ sie zusammenfahren. — Mama? Alles in Ordnung? — Andrei riss die Tür auf.

— Ja! Ja, alles gut! — Die Stimme der Schwiegermutter klang atemlos. — Ich bin nur… gestolpert. Ihr Telefon klingelte erneut. Dieses Mal konnte sie es nicht schnell genug wegdrücken. Der Name auf dem Display war deutlich zu lesen.

LENA. — Mama, nimm ab, — drängte Andrei. — Vielleicht ist es wichtig. — Ich habe doch gesagt, es ist WERBUNG! — Ihr Ton schnitt wie ein Messer durch die Luft. — Seit wann ruft Werbung mit einem persönlichen Namen an? — Katya verschränkte die Arme.

Die Schwiegermutter erstarrte. — Lena? — Andrei blinzelte. — Ist das nicht… — Deine Schwester. — Katya sah Ludmila Viktorowna scharf an. — Weiß sie überhaupt, dass du umgezogen bist? Es war, als hätte man sie geohrfeigt. Ihr Gesicht verlor jede Farbe.

— Natürlich weiß sie es, — murmelte sie und nestelte an ihrem Schal. — Ich habe ihr alles gesagt. — Wirklich? — Andrei klang jetzt besorgt. — Hört auf mit dem Verhör! — Ludmila Viktorowna drehte sich abrupt um. In ihren Augen loderte etwas. War es Wut? Oder… Panik?

Dann, ohne ein weiteres Wort, schnappte sie sich ihre Tasche und marschierte aus der Wohnung. Die Tür schlug mit einem Knall zu. Katya und Andrei blieben wie angewurzelt stehen. — Ruf Lena an, — sagte Katya mit eisiger Stimme.

Doch Lena ging nicht ans Telefon. Weder beim ersten, noch beim zweiten, noch beim zehnten Versuch. — Das ist nicht gut, — murmelte Andrei. Ein paar Stunden später kam Ludmila Viktorowna zurück.

Mit fünf Einkaufstüten. Als würde sie sich auf eine Apokalypse vorbereiten. — Ihr esst ja nichts Richtiges, — murmelte sie und stopfte Brot und Konserven in die Schränke. Dann verschwand sie auf den Balkon – angeblich, um Luft zu schnappen.

Doch Katya sah das Telefon in ihrer Hand. — Galja… — Die Stimme der Schwiegermutter war kaum mehr als ein Flüstern. — Was soll ich tun? Ich kann es ihnen nicht sagen… Nein… Es gibt kein Zurück mehr…

Katya blieb wie erstarrt in der Tür stehen. Auch Andrei hörte jedes Wort. — Das Geld? — Ludmila Viktorowna schniefte. — Nein, das ist nicht das Problem… Das Problem ist, dass Andrei mir das nie verzeihen wird…

Ein ersticktes Geräusch. — Nein, Galja. Ich kann nicht. Ich werde später anrufen… Nein… Ich kann nirgendwohin gehen… Das Klacken des abgeschalteten Telefons hallte durch die Stille. — Mama. — Andres Stimme war fest.

Die Schwiegermutter zuckte zusammen, als hätte man sie erwischt. — Oh! Ihr seid ja noch wach… Ich wollte nur… — Hör auf, Mama. Sag es einfach. Ludmila Viktorowna umklammerte das Balkongeländer.

— Ich… habe einen Fehler gemacht. — Was für einen Fehler? — Andrei trat einen Schritt näher. — Ich… Ich dachte, es wäre sicher… das Geschäft… — Welches Geschäft, Mama?! Stille. Dann, mit brüchiger Stimme:

— Ich habe alles verloren. Katya riss erschrocken die Augen auf. Andrei schloss kurz die Augen. Atmete tief durch. — Und Lena? Ludmila Viktorowna sah ihn verzweifelt an. — Sie weiß es nicht… noch nicht… Sie darf es nicht erfahren.

Sie wird mich hassen. Dann sackte sie in sich zusammen, als hätte ihr Körper die Last nicht mehr tragen können. Ein ohrenbetäubendes Schweigen legte sich über den Raum. Katya schluckte schwer. Draußen fiel der erste Schnee.

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