Das große Familienfest – mit unerwarteter Wendung. Mit einem Lächeln, das meine wahren Gefühle verbarg, lud ich meine Familie ins Wohnzimmer ein und stellte ihnen Teller mit Leckereien hin. Tante Natascha, bekannt für ihre direkte Art,
ließ ihren Blick durch meine Wohnung schweifen und sagte mit einem Hauch von Ironie: — Marinka, du hast es ja so gemütlich! Man sieht sofort, dass du nicht am falschen Ende sparst. Übrigens, wir haben nachgedacht…
Wer wäre besser geeignet als du, um Großmutters Jubiläum zu organisieren? Ihre Stimme klang sanft, doch in jedem Wort schwang unterschwellige Belustigung mit. Onkel Juri, sonst eher direkt, nickte bestätigend:
— Wer denn sonst? Deine Hypothek ist fast abbezahlt, du machst Karriere, und Großmutter soll schließlich ein würdiges Fest bekommen. Sie selbst möchte sich nicht stressen – in ihrem Alter verständlich.
Ich unterdrückte ein Lächeln. Fast abbezahlt? Von wegen! Meine Hypothek lastete noch schwer auf mir, und jede Gehaltserhöhung war ein harter Kampf. Doch für sie spielte das keine Rolle. In ihrer Vorstellung war ich eine unerschöpfliche Quelle finanzieller Mittel.
Unsere Familie traf sich einmal im Jahr bei Großmutter Antonina, die in einer großzügigen Altbauwohnung lebte. Früher fanden dort alle Feiern statt. Doch nun hatte sie entschieden: „Ich nehme keine großen Gesellschaften mehr auf.“
Sofort tauschten Tante Natascha und Onkel Juri Blicke – selbst etwas zu organisieren stand für sie außer Frage. Ihre Kinder, Nina und Artjom, hatten ebenso wenig Lust, Zeit oder Geld zu investieren. Also fiel die Wahl auf mich
– die „gut situierte“ Enkelin, die keine Kinder hatte, allein lebte und ihrer Meinung nach keinerlei Verpflichtungen hatte. Diese Verwandten waren Meister der subtilen Ausbeutung. Mal „liehen“ sie sich Geld, das nie zurückkam, mal verschwand mein nagelneuer
Mixer in ihrem Haushalt und kehrte kaputt zurück. Und jedes Mal hatte ich nachgegeben. Kein Wunder, dass sie dachten, ich könne mir alles leisten. Diesmal erschienen sie in voller Delegation: Nina, Artjom, Tante Natascha,
Onkel Juri und ein paar entfernte Verwandte. Kaum saßen sie am Tisch, zückten sie ihre Handys und präsentierten mir Bilder luxuriöser Restaurants, während sie enthusiastisch Menüs und Preise diskutierten.
— Marina, schau mal, hier gibt’s ein Buffet vom Sternekoch! — schwärmte Nina, eine elegante Frau Mitte dreißig mit makellosem Make-up und dem neuesten iPhone in der Hand. — Stell dir vor, was für tollen Content wir für Social Media hätten! Alle wären schick, Großmutter im Mittelpunkt…
Ich hob die Hand. — Moment mal. Und wer bezahlt das alles?Onkel Juri setzte sein gewohnt charmantes Lächeln auf: — Aber wir sind doch eine Familie! Jeder weiß, dass du nicht geizig bist. Und du bist so praktisch veranlagt,
findest immer die besten Angebote. Also übernimm du die Organisation – wir unterstützen dich moralisch! Moralisch? Ich erinnerte mich an die Zeit, als ich monatelang jeden Cent gespart hatte, um die Anzahlung für meine Wohnung leisten zu können.
Damals hatte keiner von ihnen ein Wort der Unterstützung übrig gehabt. Doch jetzt wollten sie ein Restaurant der Extraklasse – auf meine Kosten. Tante Natascha seufzte theatralisch: — Marinka, wäre es dir wirklich zu viel für Großmutter?
Vielleicht ist das einer ihrer letzten großen Feste… Ich biss mir auf die Lippe. Natürlich hatte Großmutter etwas Besonderes verdient. Aber warum sollte ich allein die Last tragen? Und ich wusste genau: Egal, wie viel ich zahlte,
am Ende würden sie hinter meinem Rücken tuscheln: „Marina hätte ruhig noch großzügiger sein können…“ Ich setzte ein ruhiges Lächeln auf: — Gut, dann machen wir es so: Ich übernehme einen Teil der Kosten.
Aber jeder trägt seinen Anteil bei – je nach Möglichkeit. Ich finanziere nicht alles allein. Totenstille. Schließlich murmelte Nina: — Äh… Mein Budget ist gerade für den Sommerurlaub reserviert. Ich träume schon so lange vom Meer.
Artjom zuckte mit den Schultern: — Mein Auto muss repariert werden. Da ist kein Spielraum mehr. Onkel Juri räusperte sich: — Wir haben gerade einen Kredit aufgenommen. Die Zeiten sind hart. Wenn du einfach alles übernimmst, wäre es für alle einfacher.
Natürlich. Immer das gleiche Spiel. Sie hielten mich für eine wandelnde Geldbörse, die sich bloß ein wenig „zierte“. Ich stand auf, goss mir langsam Tee ein und sagte in beiläufigem Ton: — Gut. Ich kümmere mich darum. Großmutter soll ihr Fest haben – und zwar auf höchstem Niveau.
Tante Natascha klatschte begeistert in die Hände: — Wusste ich doch, dass wir uns auf dich verlassen können! Oh ja, sie konnte sich auf mich verlassen. Aber nicht so, wie sie dachte. Am nächsten Tag rief ich meinen alten Freund Oleg an,
der Manager in einem gehobenen Restaurant war. — Oleg, — begann ich, — ich brauche deine Hilfe. Bereite dich auf eine Familienkomödie mit unerwarteter Wendung vor. Er lachte: — Ich liebe eine gute Story! Sag an, wie kann ich helfen?
Wir planten alles sorgfältig. Ich leistete eine Anzahlung für das Restaurant – eine Summe, die ich mir ohne große Schmerzen leisten konnte. Gleichzeitig beauftragte ich Oleg, all die luxuriösen Wünsche meiner Verwandten zu berücksichtigen:
teures Champagner, exquisite Häppchen, eine glamouröse Präsentation der Speisen. Wenn sie schon auf Luxus aus waren, dann sollten sie ihn in vollem Umfang genießen. Der große Tag kam. Die Verwandten erschienen in schillernden Outfits,
stolz wie Pfauen. Großmutter Antonina, elegant und ein wenig aufgeregt, brachte eine alte Freundin mit, was niemand erwartet hatte – aber wer hätte ihr diesen kleinen Wunsch abschlagen können?
Sie alle waren überzeugt, dass ich alles bezahlt hatte. Das Essen war grandios, der Service perfekt, die Atmosphäre bezaubernd. Nina filmte begeistert Stories für Instagram, während Onkel Juri sich eine der Champagnerflaschen griff.
— Können wir ein paar Flaschen an unseren Tisch nehmen? — fragte er beiläufig. Ich lächelte süß:— Natürlich! Aber denkt daran: Nachher wird bezahlt. — Was?! — Er hielt in der Bewegung inne. Tante Natascha winkte ab:
— Ach, Marina hat das sicher in irgendeinem Sonderangebot bekommen. Ich erwiderte nur ein rätselhaftes Lächeln. Das große Finale kam mit der Rechnung. Oleg trat mit charmantem Lächeln an den Tisch:
— Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen! Die Endabrechnung ist nun fertig. Sie können bar oder mit Karte zahlen. Plötzlich war die Stimmung frostig. Nina schnappte nach Luft, Artjom wurde blass, Onkel Juri suchte hektisch nach Worten.
— Aber… Marinka, du hast doch alles geregelt?! — stammelte Tante Natascha. — Habe ich auch, — entgegnete ich gelassen. — Ich habe den Raum reserviert. Der Rest ist euer Anteil. Die schockierten Gesichter waren unbezahlbar.
Und als die Karten gezogen und die Scheine gezählt wurden, spürte ich eine unglaubliche Erleichterung. Ich hatte endlich meine Grenzen gesetzt. Als ich später mit Großmutter aus dem Restaurant trat, nahm sie meine Hand und sagte leise:
— Vielleicht lernen sie jetzt, dass Familie nicht nur bedeutet, zu nehmen, sondern auch zu geben. Ich drückte ihre Hand sanft. — Vielleicht. Und wenn nicht – ist das auch okay. Ich lasse mich nicht mehr ausnutzen.
Mit einem Gefühl von Freiheit und Selbstachtung trat ich in die Nacht hinaus.