Als meine Stiefmutter meinen Zulassungsbrief im Kamin verbrannte, erstarrte ich. Ich konnte den schwelenden Rauch riechen, konnte zusehen, wie meine Zukunft zu Asche zerfiel. Mein Herz schlug so heftig, dass ich es in meinen Ohren pochen hörte.
Meine Träume – meine Flucht – waren verloren. Oder das dachte ich zumindest. Denn nur wenige Minuten später klopfte ein Fremder an unsere Tür. In seiner Hand hielt er eine knallrosa Reisetasche – und eine Nachricht von meiner verstorbenen Mutter,
die mein Leben für immer verändern würde. Es war ein warmer, träge dahinfließender Apriltag in den frühen 2000ern. Die Luft war schwer von Blütenduft und Sonne, und die Straßen flimmerten vor Hitze. Ich kam gerade aus dem Tierheim,
wo ich als Freiwillige arbeitete, und drückte eine Tüte voller Leckerlis für Buster an mich – meinen mürrischen, aber treuen roten Kater. Er war mein Trost, mein Anker. Die eine Konstante in meinem Leben, das sich oft wie ein Schiff im Sturm anfühlte.
Meine Mutter war gestorben, als ich noch ein Kind war. Mein Vater und ich waren eine Weile ein Team gewesen – bis Kelly in unser Leben trat. Kelly. Sie machte mir von Anfang an klar, dass ich nicht willkommen war.
Dass ich in ihrem neuen, perfekten Leben keinen Platz hatte. Und als mein Vater kurz nach meinem 17. Geburtstag bei einem Autounfall starb, blieb mir nur noch sie. Keine Verwandten, keine Freunde der Familie, die sich um mich kümmerten
– nur ich und die Frau, die mich von Herzen verabscheute. Aber ich hatte einen Plan. Ein einziger Brief sollte mich retten. Mein Zulassungsbescheid für die Universität. Der Schlüssel zu meiner Flucht. Als ich die Einfahrt entlangging,
fühlte ich mein Herz schneller schlagen. Heute musste der Brief angekommen sein. Heute würde alles anders werden. Doch als ich die Haustür öffnete, schlug mir eine Welle intensiver Hitze entgegen. Ich blinzelte irritiert. Es war doch Frühling – warum war es im Haus so heiß?
Dann hörte ich es. Das leise, heimtückische Knistern von brennendem Papier. Meine Finger lösten sich von der Tüte, die auf den Boden fiel. Mein Blick huschte ins Wohnzimmer. Und dann sah ich sie. Kelly saß mit überkreuzten Beinen vor dem Kamin.
Das Feuer warf flackernde Schatten auf ihr Gesicht. Sie wirkte… zufrieden. Genießerisch. —Kelly?— Meine Stimme zitterte. —Warum brennst du Feuerholz? Langsam drehte sie den Kopf und schenkte mir ein Lächeln, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
—Ach, Liebling,— sagte sie sanft, mit gespieltem Mitgefühl. —Ich dachte, du solltest dabei sein, wenn deine Zukunft in Rauch aufgeht.— Meine Welt geriet ins Wanken. —Was…?— flüsterte ich und machte einen unsicheren Schritt nach vorn.
Sie nickte zum Feuer. Und erst da sah ich es. Zwischen den knisternden Flammen tanzten die verkohlten Reste eines großen Umschlags. Meine Augen weiteten sich, als ich versuchte, die verbrennenden Buchstaben zu entziffern. Das offizielle Universitätslogo. Mein Name.
Ein erstickter Laut entwich meiner Kehle. —Dein Zulassungsbescheid ist heute gekommen,— verkündete Kelly beiläufig. —Aber du brauchst ihn nicht. Stattdessen wirst du den Sommer – und, wenn du klug bist, auch deine Zukunft – in meinem Café verbringen.
Du kannst mir ja schließlich danken, dass ich dich überhaupt aufgenommen habe.— Ich konnte nicht atmen. Mein Traum. Mein mühsam erkämpfter Ausweg. Asche. —Warum?— krächzte ich. Tränen brannten in meinen Augen.
Sie zuckte mit den Schultern, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. —Ich tue dir einen Gefallen, Pamela. Jemand wie du wäre an der Uni ohnehin gescheitert. Sei dankbar, dass ich dich davor bewahre.—
Etwas Dunkles, Glühendes erhob sich in mir. Wut. Schmerz. Eine unbändige, lodernde Verzweiflung. Ich wollte schreien. Ich wollte sie anschreien, sie packen, sie fragen, was für ein Monster sie war. Aber dann – ein lautes, durchdringendes Klingeln an der Haustür.
Kellys Miene verfinsterte sich. Sie strich ihren Pullover glatt und funkelte mich an. —Bleib hier,— befahl sie. —Ich mache auf.— Aber ich folgte ihr. Mein Körper bewegte sich automatisch, meine Gedanken waren zu einem chaotischen Wirbelsturm aus Zorn
und Entsetzen geworden. Ich konnte keinen klaren Gedanken fassen. Und dann öffnete Kelly die Tür. Ein Fremder stand auf unserer Veranda. Er war groß, elegant, mit einem perfekt sitzenden Anzug und einer gelassenen Haltung, die eine natürliche Autorität ausstrahlte.
Aber was mir sofort ins Auge fiel, war die Tasche in seiner Hand – eine knallpinke Reisetasche. Und dann sein Blick. Warm. Fest. Fast… erkennend. —Bist du Pamela?— fragte er ruhig. Ich schluckte. —Ja.—
—Mein Name ist Mr. Robertson.— Er reichte mir die Hand. —Ich bin hier, weil deine Mutter mich darum gebeten hat.— Ich erstarrte. —Meine… Mutter?— Das Wort fühlte sich seltsam auf meiner Zunge an. Als gehörte es zu jemand anderem, nicht zu mir.
Mr. Robertson nickte langsam, als hätte er genau diese Reaktion erwartet. —Deine Mutter und ich waren während des Studiums befreundet. Wir haben all die Jahre in Kontakt gestanden. Sie hat immer von dir gesprochen, voller Liebe und Hoffnung.
Und als ich deine Bewerbung sah… wusste ich, dass ich ihr letztes Versprechen erfüllen musste.— Mein Herz setzte einen Schlag aus. Mein Blick wanderte zu Kelly. Ihre Haut war fleckig rot, ihre Lippen bebten.
—Das ist…— Sie rang nach Worten. —Das ist absolut skandalös! Ich werde die Universität informieren! Dieses Mädchen wird nirgendwo hingehen!— Mr. Robertson musterte sie einen Moment lang kühl, dann sprach er mit ruhiger Bestimmtheit.
—Pamela hat sich ihren Platz an der Universität verdient. Ihre Leistungen sind herausragend. Ihr Aufsatz hat die gesamte Zulassungskommission bewegt. Sie hat für diese Chance gekämpft.— Ein Beben durchzog meinen Körper.
Hoffnung. Sie war nicht tot. Sie hatte nur auf den richtigen Moment gewartet, um in Flammen aufzugehen. Und diesmal würde ich nicht zulassen, dass sie erlosch.